Am Tag der Arbeit im Aladin zu Bremen
Heinz Rudolf Kunze und seine Verstärkung 2003 konzertieren am Tag der Arbeit im Aladin zu Bremen. In politisch unruhigen Zeiten hat sich HRK vorgenommen, seiner treuen Anhängergemeinde "Rückenwind" zu bieten. Auf die gespannte Vorkonzertstimmung folgen acht Songs vom aktuellen Album, aber auch Wohlbekanntes mit neuer Band. Der Bühnenaufbau, der dem der Halt Tour bis auf wenige Details zum Verwechseln ähnlich ist, verrät noch nichts von der neuen Energie einer verjüngten Formation, in der nur noch Matthias Ulmer an die Verstärkung 1995 bis 2002 erinnert.
Als das Hallenlicht ausgeht, wird gerätselt, mit welchem Intro uns der Meister diesmal überraschen wird. Hat es doch einmal vor langer Zeit – noch in den 80ern – auf der Einer für alle–Tour den Vorspann zur Fernsehserie "Raumschiff Orion" gegeben. Auch 2003 gibt es einen Rückgriff in die mittelalte Fernsehgeschichte. Mit der Titelmusik vom "Kommissar" (Erik Ode) eröffnen HRK und Verstärkung ihr Programm. Zu den rockigen Klängen von Himmelfahrtskommando wird das Aladin positiv erschüttert. Und folgerichtig zu diesem Opener schließt sich der Ruf Da müssen wir durch an – ein schöner Anlaß, um sich gleich mit Heinz und seinen jungen Kollegen auf die nächsten gemeinsamen Stunden einzustimmen. Nach der Begrüßung der Bremerinnen und Bremer läßt Kunze ein paar Worte Hermann Hesses folgen. "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" als Einleitung zur aktuellen Single Mach auf.
Der Sprechtext "Der amerikanische Austauschschüler" wirkt in diesen Zeiten, die während des Konzerts nicht nur einmal vom Sänger des Abends erwähnt werden, bedrückend wirklichkeitsnah. Heinz schließt mit Der Schlaf der Vernunft vom Wunderkinder-Album an und läßt darauf das Motto des Abends Rückenwind folgen. Ein Liebeslied, zu dem im Aladin an diesem 1. Mai gern mit Inbrunst mitgesungen wird.
Es ist nicht wie du denkst, sagt Heinz und erklärt auch zu dieser neuen Nummer, daß sich der Zuhörer die Gefühlswelt eines Pubertierenden vorstellen soll. Ein Knabe, der zwischen 13 und 15 Jahre alt ist, erlebt Dinge, die in der Erinnerung uns allen präsent sein dürften. Die Stimmung im Saal ist aber nicht so nachdenklich, um nicht Kunzes Seitenhieb auf die RTL Superstar – Suche mit großem Vergnügen aufzufassen.
"Toll – jeder, aber auch wirklich jeder kann nun dieses Erlebnis haben, so ein Superstar zu sein!", sagt Heinz. Natürlich folgt auf diese einleitenden Worte die augenzwinkernde Nummer Schön und gut, welche aber auch wie bei HRK gewohnt den ernsten Hintergrund nicht vermissen läßt.
Ein Rückgriff auf die Vergangenheit wird angekündigt. Dazu nehmen die drei Frontleute erst einmal Platz. Leo Schmidthals, Baß auf der links Bühnenseite, der Gitarrist Jörg Sander rechts und in der Mitte Heinz himself. Passend zu den Ausführungen in Schön und gut weist der nun sitzende Sänger auf sein eigenes Album Richter-Skala hin, welches "ihr nicht gekauft habt!" Er berichtigt dann freundlich: "na ihr vielleicht schon." Und wer würde ihm widersprechen wollen. Manchmal ist wirklich eine schöne Ballade aus einem bei nicht so wenigen wirklichen HRK Fans sehr geliebten Album.
Es folgt der Ursprung: Erinnerungen an das erste Album Reine Nervensache. Es ertönen die Klänge von Wir leben alle im Erdgeschoß, doch Heinz sagt "ätsch" und wir werden zum Balkonfrühstück eingeladen. Wir leben alle im Erdgeschoß beendet dann wieder akustisch diesen Ausflug.
Der Irak–Krieg, die vielzitierten kalten Zeiten wird in Aller Herren Länder durch zusätzliche Zeilen, die der Bush Administration keine Ehre machen, eindrucksvoll und ohne einen Hauch einer pathetischen Geste thematisiert. Mit lautstarkem Zuspruch wird die Version 2003 von den begeisterten Bremerinnen und Bremern aufgenommen. "Jetzt wo der Orient deine Bomben kennt ..." heißt es da unter anderem.
Heinz freut sich dann ein Stück vorstellen zu dürfen, was er in den vergangen Bands, mit denen er arbeiten durfte, zwar immer vorgeschlagen hat, aber dort nie fürs Liveprogramm durchsetzten konnte. Besonders dem Bassisten Leo Schmidthals verdankt er, daß dieses tolle alte Stück Noch hab ich mich an nichts gewöhnt Bestandteil von "Rückenwind 2003" ist.
Auf dämonische Weise kehrt es zur Gegenwart zurück – Heinz mit Zorromaske, grelle Scheinwerfer auf ihn gerichtet, typische Gesten bei harten Gitarrenriffen, denn Killroy was here! Endlich stellt HRK seine neue Band vor: den ewig freundlich dreinschauenden Leo Schmidthals, der einen dreckigen Baß spielt; versteckt hinter der Schießbude den perfekten Schlagzeuger und Antreiber Jens Carstens; einen echten Rockgitarristen, Jörg Sander, mit den entsprechenden Posen; und im Hintergrund auf dem Sockel an den Keyboards der Mann mit dem sphärischen Überblick, Matthias Ulmer.
Folgen sie mir weiter sagt Heinz und nimmermüde wird dieses alte Lied über menschliche Irritationen ebenso wie alles andere beeindruckend selbstverständlich von HRK und seinen Neuen dem Konzertbesucher übermittelt. Die aktuelle Mitstampfnummer Wozu Feinde arrangiert sich dann auch sehr gut mit einem Stück aus der frühen Achtzigern und knüpft sich nahtlos an.
Die Achtziger, in denen Die eigenen Wege nicht enttäuscht haben, sind auch 2003 bei dieser Zusammensetzung spürbar, obwohl alle Neuen auf dieser Bühne an diesem Abend in Bremen damals noch zu jung gewesen sind, um Kunzes Wege und die seiner Fans mitverfolgt haben zu können. Dennoch, es funktioniert eben, denn Heinz, der sich als Mann des vorigen Jahrhunderts bezeichnet, paßt auch mit diesen Titeln zweifellos in die heutige Zeit.
Vertriebener erinnert an den Anfang mit Heiner Lürig. Aber besonderer Gewöhnung bedarf es auch hier nicht, die Posen des gekonnten Gitarrenspiels eines Jörg Sander betrachten und genießen zu dürfen. Mit dem vorläufigen Rausschmeißer Alles was sie will endet der Hauptteil. Das Publikum ist geschafft, weiß aber, daß bei Heinz Rudolf Kunze Energie für ein großzügiges Zugabeprogramm mobilisiert werden muß. Das war immer so und das ist auch diesmal so. Das Publikum fordert es lautstark ein. Heinz ist gut drauf an diesem Abend, er kommt gerne wieder und leitet die erste Etappe des Endspurts mit einem Sprechtext über eine langjährig festgefahrene Beziehung ein, welcher den passenden Titel: "Ich hasse Dich" trägt.
Ich glaub es geht los von der "Herzplatte" läßt noch einmal den Schwung miterleben, der in der neuen Verstärkung steckt. Heinz am Klavier sitzend hat inzwischen das Jackett gewechselt.
In der zweiten Zugabe dann Draufgänger und Finden Sie Mabel. Es scheint, als wenn nun jeder und jede in der Halle den Sänger stimmlich unterstützt. Nicht anders ergeht es HRK, als Ich brauch dich jetzt den ganzen Saal endgültig zu einem Ort einer großen gemeinsamen Party werden läßt. Alles gelogen folgt. Kunze ist jetzt das dritte Mal rausgekommen und das ist noch immer nicht das Ende.
Wieder im Programm Dein ist mein ganzes Herz und in den Erfolgshit eingebettet Wenn du nicht wiederkommst. Besonders witzig der veränderte Refrain "Dein ist mein ganzes Herz, wenn du nicht wiederkommst".
Es gibt noch eine vierte Zugabe: Ich habs versucht und das Publikum gibt zu verstehen: Es ist gelungen. Ein schöner Abend in Bremen, die neue Verstärkung wird freundlich, sogar begeistert aufgenommen. Baßmann Leo Schmidthals sagt nach dem Konzert, daß er noch nie so ein nettes Publikum wie die Kunzeanhänger in seinem bisherigen Musikerleben genossen hat.
Die Bremerinnen und Bremer scheinen am 1. Mai 2003 nicht nur HRK, sondern auch die neue Verstärkung in ihr Herz geschlossen zu haben. Zweieinhalb Stunden Rückenwind, den jeder im Aladin gespürt haben dürfte.
Matthias von Schramm, Mai 2003
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