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Das erfolgreiche Album Protest, dieser Neuanfang 2009 mit jungem, sportivem Team, muss endlich auf die Livebühne. HRK und seine Musiker sind tagelang in Schwerin, um dort die Protesttour einzuüben. Am 26. April präsentiert man dort auch vor ein paar geladenen Gästen eine Generalprobe, welche zur vollsten Zufriedenheit der Protagonisten durchgezogen werden kann.
Tags darauf feiert man endlich den Tourauftakt in der schönen Ostseestadt Rostock. In der dortigen Stadthalle findet sich ein kundiges Kunzepublikum ein, begeisterungsfähige Fans aus dem Osten, einer Region in Deutschland, in der die Sprache Kunzes besonders geschätzt wird. Aus alten Zeiten ist er also denen, die da kommen, lieb geblieben und es sind etwa 1000 an der Zahl an diesem 27. April 2009.
Es ist 20 Uhr in Rostock, während das Saallicht ausgeht und blaue und weiße Strahler sich zum Publikum richten und es sind Frühlingsklänge zu vernehmen. Synthetisch schön mit Violine, Glockenläuten und das Rumpeln von vielleicht Panzerketten, evtl. auch so etwas wie Bombenhagel. Jedenfalls steht die Band inklusive Chef parat. Sehr präsent stellen sich die Herren an den Klampfen auf. Links vom Publikum aus gesehen hat sich der neue junge Zoran Grujovski posititioniert. Die Mitte nimmt Leo Schmidthals mit Heinz ein, und rechts hat Jörg Sander viel Raum.
Astronaut in Bagdad ist Protest. Ein rockiger Opener, wie so oft, und er steht diesem Programm. Von Anfang an sind die Rostockerinnen und Rostocker begeistert dabei. Von Anfang an sind die Musiker trefflich ins Licht gerückt. Für diese Tour hat die Lichtcrew besonders sorgfältig gearbeitet und abgestimmt. Weiter geht’s zum Mitklatschen. Warum?, die obskure Phantasie und die besondere Textkunst des HRK kommt gleich im zweiten Song zur Geltung, Sander tanzt zum Solo den Saitenquältanz im besten Sinne und bereits jetzt sind Band und Publikum in formidabler Stimmung. Und der Herr Kunze freut sich, dass die Rostocker die ersten sind, die „Protest“ live von der Bühne erleben. „Das nächste Stück handelt von der Krönung der Schöpfung, dem Ebenbild Gottes, dem Duschkopf.“ Jubel brandet auf. Die Leute kennen dieses neue Album und scheinen diese augenzwinkernde Boshaftigkeit in Form von Aber Menschen? zu lieben.
HRK setzt sich jetzt an sein gewohntes Tasteninstrument, dem Klavier, und erzählt wie in guten alten Zeiten von diesen guten alten Zeiten und betont dabei die Verklärung der Vergangenheit. Eine gesprochene Ode an den hilflosen menschlichen Umgang mit seiner Existenz und seinen Erinnerungen. Und dann wird es richtig schön. Brennende Hände von der Herzplatte und auf der neuen „Remastered Deluxe Edition“, auch als ursprüngliche Demoversion erhältlich. Eingefleischte alte Fans schwelgen bei diesem Titel. Poesie heute wie damals zum Protest. Dies gilt eben auch besonders intensiv an diesem Abend in der Stadthalle zu Rostock.
In einem kurzen Sprechtext, in dem der Meister auch die Weltwirtschaftskrise und die Moralgeister zwischen Nena und Ackermann belangt, geht es von dem Feuerland aus Brennende Hände zu Auf einem anderen Stern, womit auch diesmal Kunzes Balladenqualitäten im Programm „Protest“ sichtbar bleiben. Daran schließt sich ein gefühlter und mitreißender Frühlingshit an: Einmal noch und immer wieder!
Die besondere Spielfreude der immer mehr zusammengewachsenen Band, wird gerade bei diesem Titel deutlich und beim nächsten dann noch ein Stückchen mehr. „Mit Euch ist jeder Tag Ein besondrer Tag, meint HRK und richtet sich damit an das Publikum und scheint auch seine überaus gut aufgelegten und freundlichen Mitmannen auf der Bühne zu loben. Dann wieder ein Blick in die Vergangenheit. Meine eigenen Wege, diesmal mit einem feinen Solo des zweiten Gitarristen Zoran.
Jetzt wird es intim auf der Bühne. Sitzgelegenheiten für alle werden gereicht. Um Kunze mit akustischer Gitarre reihen sich Schlagzeuger Jens Carstens, der auf einem Gajon Platz nimmt, Leo am Bass, Jörg Sander an einer weiteren akustischen Gitarre, später gar an der Ukulele und Zoran an einer rot leuchtenden Quetschkommode. Nur Matthias Ulmer bleibt hinten an seinen Keyboards sitzen, wird aber gleich mit zum vorderen Bereich der Bühne stoßen und in ganzer Pracht sichtbar sein. HRK stellt an dieser Stelle die Verstärkung 2009 vor. An diesem Tag in dieser Besetzung zum ersten Mal auf der Bühne und schon so unglaublich gut aufeinander abgestimmt. „Elixier“, eines der schönsten Liebeslieder der letzten Jahre folgt. Anschließend gibt Zoran das Akkordeon an Matthias weiter und greift selbst zu Percussioninstrumenten. Man spielt in dieser Anordung, in dieser räumlichen Nähe, einen wohlbekannten Song von Kris Kristofferson, nämlich „Help me, make it through the night“, allerdings von Heinz ins Deutsche übersetzt und da heisst es „Hilf mir's schaffen durch die Nacht.“
Man bleibt in dieser kleinen Sitzgruppenformation und ein kleines Medley wird angestimmt. Alles was sie will und Einfacher Mann. Dann löst man sich wieder auf, die Bühne wird in voller Größe in Beschlag genommen, es wird wieder laut und die Rocklichtshow kommt erneut schön blaulastig und knackig gelungen zur Geltung. Heul mit den Wölfen ist dran und Heinz sagt später selbst: „Dies war mal wieder fällig.“ Anschließend die härteste Nummer des neuen Albums Selbst ist die Zerstörung, der durchschlagendste Erleichterungseffekt von morbiden und verbotenen Gefühlen seit Packt sie zu zerhackt sie. von 1985.
Nach einem ironischen Feiern in Sprechtextform der Schönheit des Erfolges, schließt sich Alles gelogen an. Guildo Horn wird auch endlich einmal von Heinz Rudolf Kunze gelobt, der in Wahrheit Horst Köhler heißt. Die alte kunstvolle Ballade Der schwere Mut, immerhin von 1983, reagiert darauf. Mit Leg nicht auf, folgt ein weiterer Klassiker, diesmal aus den 1990er Jahren. Nach der alten Kuh „Mabel“ (Original Kunze) beendetet HRK mit der poetischen Eröffnungssingle vom Protestalbum Längere Tage das Programm. 90 Minuten sind um, die Rostockerinnen und Rostocker sind begeistert, aber noch nicht vollends geschafft. Erfolgreich wird nach mehr verlangt.
Das Intro der ersten Zugabe klingt nach Pink Floyd und verzaubert wieder einmal durch feine Klänge und super Licht, und es mündet in Mit Leib und Seele. Eine wunderbare Version, die fast ansatzlos in Wenn du nicht wiederkommst übergeht, womit jetzt auch jede und jeder aufgerufen ist, von der ersten bis zur letzten Reihe in der Rostocker Stadthalle mitzusingen.
Zu Beginn der zweiten Zugabe bedankt sich Heinz zu Recht bei seiner Technikcrew und wird textlich noch einmal nachdenklich, mit dem neuen Schmerzenslied Regen in meinem Gesicht. Rockig schließt sich dem, und so wie es eben ganz viele mögen, Dein ist mein ganzes Herz und Dies ist Klaus an. Man verbeugt sich, aufrechte Daumen der zufriedenen Musiker zeigen empor.
Obligatorisch beinahe endet auch dieses HRK Konzert samt Verstärkung mit. Ich hab's versucht! ein Ende, zu dem immer wieder ähnlich klingende Wortspiele einfallen, denn auch diesen Tourauftakt empfinden die Menschen in der Rostocker Stadthalle als sehr gelungen. Am Ende dieses Protestabends gegen 22 Uhr verlässt Heinz Rudolf Kunze mit seiner Lesemappe zufrieden die Bühne. Protest und Poesie mit neuer junger Besetzung (Zoran ist der jüngste der Truppe) wirkt bereits am ersten Abend perfekt und kraftvoll. Und was man auch bei einem Mann vom Format Kunze mit hohem geistigem Anspruch in seinen Werken nicht vermissen darf: es hat (wieder einmal) großen Spaß gemacht, vor, aber auch garantiert auf der Bühne, wie deutlich zu sehen war.
Matthias von Schramm, April 2009
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