Artikelfoto (Foto von Detlef Heese)

1999

MANN MIT HUT und Opabart. Heinz Rudolf Kunze startete seine Korrektour in der Lagerhalle.

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Zurück in den Saal der ersten Takte

Heinz Rudolf Kunze spielt jetzt mit Hut – aber sonst hat sich nichts geändert

Hat es das schon einmal gegeben? "Zwei Karten gesucht!" steht auf einem Pappschild, das ein frustrierter Fan vor der Lagerhalle in die Höhe hält. Doch es hilft nichts: das Konzert ist ausverkauft und wer im Besitz einer Eintrittskarte ist, gibt diese nicht her.

Warum auch? Gerade in seiner Heimatstadt Osnabrück hat Heinz Rudolf Kunze viele Freunde. Und die wollen es sich nicht nehmen lassen, das Auftaktkonzert seiner Korrektour zu sehen. Bereits am Dienstag war der Wahl-Hannoveraner mit seiner Band angereist, um in dem Kulturzentrum zu proben, in dem er 1977 sein "allererstes Konzert überhaupt" absolviert hatte. Jetzt kehrte er in diese "intime Atmosphäre" zurück, um zu testen, wie sein neues Programm aufs Publikum wirkt.

In der Halle ist es dementsprechend voll, als das Licht erlischt und aus den Lautsprechern bombastische Musik dröhnt: ein Intro stimmt das Publikum auf das Gastspiel ein und sorgt für Euphorie und Applaus, bevor Heinz Rudolf überhaupt die Bühne betritt. Offenbar ist Kunzes Hardcore-Fangemeinde anwesend.

Dann kommt er: auf dem Kopf ein Cowboyhut, am Kinn einen üppigen Bart – so hat man HRK noch nicht gesehen. Und auch noch nicht gehört, denn Der Wald vor lauter Bäumen ist der erste Song, den er spielt. Und der ist von seinem aktuellen Album Korrekt. Wie sich herausstellt, hat sich musikalisch aber nicht viel geändert. Kunze wäre nicht Kunze, würde er nicht diese Songs mit eingängigen Refrains und ausgefeilten Texten zum Besten geben, von denen er im Laufe seiner Karriere schon so viele abgeliefert hat. Kunze und seine Band präsentieren das neue Material wie alte Profis, die sie sind: Stein, Froschmann oder Pech und Schwefel (das er Kanzler Schröder und Oskar Lafontaine widmet) – "Brille" hat sein Handwerk nicht verlernt. Zwar sind die neuen Songs noch nicht so geläufig wie seine alten Hits, aber das kommt sicherlich noch. In zehn Jahren werden seine Fans den Text von Himbeerbaby lauthals mitsingen, so wie sie es heute bei Dein ist mein ganzes Herz tun.

Die Vokal-Unterstützung aus dem Auditorium funktioniert bei seiner aktuellen Single Aller Herren Länder bereits ganz gut. Nur im Mittelteil des Songs wird es für die Mitsinggemeinde schwierig. Da hat Kunze pfiffig die Popgeschichte im Kurzformat integriert: Die Hippiehymne "Goin' To San Fransicso", der REM-Song "Loosing My Religion" und Robbie Williams "Let Me Entertain You" rasen im Sturzflug an einem vorbei.

Mit ständig wechselnenden Kopfbedeckungen driftet ein aufgeräumter HRK weiter durch sein Programm . Gegen Ende bringt er immer mehr bekannte Nummern und das Stimmungsbarometer beim Publikum steigt unaufhaltsam. Nur Lola spielt Kunze nicht (vielleicht hebt er sich das für ein weiteres Konzert in Osnabrück auf, das er für den Herbst in Aussicht stellt). Um seine Fans nach zweieinhalb Stunden und zahlreichen Zugaben endlich heimwärts zu schicken, intoniert er schließlich After The Goldrush von Neil Young ... und die Zuschauer gehen mit dem Gefühl nach Hause, ein "besonderes" Konzert gesehen zu haben.

thb, Neue Osnabrücker Zeitung, 16. April 1999

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