Heinz Rudolf Kunze (Foto: Alexander Wittke)

2008

Heinz Rudolf Kunze in Frielendorf-Leimsfeld

Lesung mit Musik im Schützenhaus

Heinz Rudolf Kunze ist Deutsch-Rocker der frühen Stunden. Seit 1980 ist er dabei. Heinz Rudolf Kunze ist Sänger, der mit kleinem Programm auf Tour geht. Heinz Rudolf Kunze ist Übersetzer und Mitautor von Musicals. Heinz Rudolf Kunze ist Komponist und Texter für Kollegen, z.B. Herman van Veen. Heinz Rudolf Kunze ist Autor von Büchern ironischer, bissiger und lyrischer Texte. Heinz Rudolf hat außerdem einen Manager (Wolfgang Stute), der Flamenco-Gitarre spielen kann und mit dem stand er am Samstag auf der provisorischen Bühne im Schützenhaus von Leimsfeld (Frielendorf).

Weil sie ihrem Bruder Gerd (Itzenhäuser) eine Freude machen wollte, hat Jutta Bechlem dessen Lieblingsmusiker engagiert. Diese Geschichte zieht ein Kamerateam des Hessischen Rundfunks an und, neben den üblichen Journalisten, außerdem rund 170 Gäste. Das Schützenhaus in Leimsfeld ist damit brechend voll und für wenige Momente die Bühne der Welt. Gerd Itzenhäuser ist übrigens der Wirt im Schützenhaus und das seit genau 10 Jahren. Ein Jubiläum mit Kunze und Stute.

Kleine Bühne, große Nervosität

Heinz Rudolf Kunze (Foto: Alexander Wittke)Heinz Rudolf Kunze entpuppt sich als sensibler, umgänglicher Mensch. Er kennt die großen Bühnen, auch auf der aktuellen Tour. Gerade ist er noch in der Semper-Oper aufgetreten, aber auch in der provisorischen Schützenhaus-Garderobe fiebert er nervös dem Auftritt entgegen, als ginge es um den Grand Prix. Im Interview vor der Show ist er freundlich, ohne Allüren; nach der Show verrät er: „Wissen Sie, vorher glaube ich immer, das klappt nie und dann klappt es doch immer...!" Und wie es klappt!

„Deutschland ist auf dem Weg in den Abgrund", stellt er ironisch fest, „im Jahre 2020 wird das Wort ‚Geburt' aus dem Duden gestrichen, (...) Migranten terrorisieren in den Straßen ein Volk von Tattergreisen, die ihre Rollatoren zu Kampfmaschinen umrüsten (...) dieser Text ist nicht lustig, bitte machen Sie sich Sorgen, guten Abend!" Damit beginnt ein Programm von 3 Stunden aus Text, wunderschöner Gitarren-Musik und einem rockigen Ausklang. Aber der Reihe nach:

„Birger" der frierende Polarfrosch

„Birger ist ein Polarfrosch, der die Kälte hasst" Dass diese eher profane Einleitung für einen Text den ganzen Saal zum Lachen bringt, irritiert Kunze sichtlich. Lachen Schwälmer an der falschen Stelle? Frielendorfer sind überwiegend keine Schwälmer, aber scheinbar sind überwiegend Frielendorfer im Schützenhaus, denn ihr Bürgermeister heißt Birger (Fey). Polarfrösche wie Birger hadern übrigens mit ihrer Existenz, darum werden sie von den anderen Tieren die „arktischen Deutschen" genannt. Birger sitzt meistens auf seinem Wirtstier, dem Eisbären Holger, und wünscht sich Polarfliegen. „Ich sterbe, weil es wärmer wird", orakelt Holger eines Tages. Birger freut sich über die Aussicht auf mehr Wärme, ist aber gleichzeitig bestürzt, weil Holger stirbt. „Er ist eben doch ein typischer Deutscher". Der echte Birger war übrigens nicht anwesend (Wir haben Kunze über die „falschen" Lacher aufgeklärt!). Dafür sein Amtskollege, Dr. Edgar Franke, aus Gudensberg. Überhaupt war von Homberg/Ohm bis Kassel die ganze Region vertreten.

Kunze verteilt seine Ironie übrigens in alle Richtungen. Er macht sich gerne über Nazi-Größen lustig und sinniert: „Lassen sie bei ‚arisch' mal einen Buchstaben weg." Bitte das ‚i' (Anmerkung der Red.). In der Zukunft könnte sich in der Bundeswehr folgender Dialog ereignen: Hauptmann: "Attacke!" Soldat: "Nicht in diesem Ton!" Hauptmann: "Attacke!" Soldat: "Wie heißt das Zauberwort?"

Alles über Kunze

Heinz Rudolf Kunze (Foto: Alexander Wittke)Heinz Rudolf Kunze trägt abgelaufene Schuhe der Marke Engelke, segnet sein Publikum mit der "Rassel", macht seine einschneidendsten Erfahrungen immer im Mittelhessischen und ist seit einer Gastrolle in "Unter Freunden" – Fernsehjunkie. Er ist vor 10 Jahren aus der SPD ausgetreten und Freund von Christian Wulff. Dessen Amtsvorgänger als Niedersächsischer Ministerpräsident, Gerhard Schröder, hat Konstantin Wecker zum Freund. Manchmal sind es also die Freunde, die etwas über die Menschen verraten... Und man erfährt so einiges über Menschen, wenn sie auf der Bühne stehen: „Wir sind Linksträger und keine Bedenkenträger", z. B. oder: „Ich habe sehr früh geheiratet, das hat mich wahrscheinlich gerettet! Vor allem, was hätte interessant sein können." Lacher im Publikum. „Ach, Sie auch?"

In Anbetracht des Kometen, der in vielen Jahren die Erde streifen könnte: „Irgendwie empfinden wir eine kindliche Freude in der Erwartung von Katastrophen" Es könne sein, wie vor 6 Millionen Jahren. Damals sind nach einem Kometeneinschlag die Dinosaurier verschwunden. Und morgen? „Wir hatten schließlich unsere Chance! Und wer weiß, vielleicht kommen dann ja die Dinos wieder..."

Won't Get Fooled Again

Wiederkommen musste Kunze 3 Mal. Das Publikum forderte Zugabe um Zugabe. In der „Nachspielzeit" dann der Kunze, wie ihn die meisten kennen – mit seinen Liedern. Vom vorletzten Album Die Wahrheit vom letzten Hemd. Dazu der Komponist: „Nach Bearbeitung der Band klang es, als wäre Berthold Brecht bei Police eingestiegen. In Wirklichkeit klingt es so! Oder Aller Herren Länder, unplugged und eben ganz Kunze. Auch wenn er Lieder singt, die er eigentlich für andere geschrieben hat: Möglicherweise ein Walzer von (für) Herman van Veen.

Vor der letzten Zugabe, nach nicht endendem Beifall, fällt ihm ein: „Ihr seid ja bekloppt! – Völlig bekloppt! – Aber schön bekloppt!" Dann bedauert er, dass er wegen 250 eigener Auftritte 2007 seine Lieblingsband „The Who" verpasst habe. Und so folgte zum Abschluss eine Kunze-Stute-Version von „Won't Get Fooled Again." In Englisch klingt Kunze tatsächlich ein wenig nach Roger Daltrey und Wolfgang Stute gibt den Keith Moon auf dem Cajon. Der Leimsfelder Ingmar Klippert, selbst Musiker, aber heute „Soundmixer" für Kunze, war bei diesem „Stilwechsel" echt gefordert...

Dann war Schluss, 170 Gäste gingen mit einem Lächeln in Gesicht nach Hause und Gerd Itzenhäuser, als Veranstalter des kommerziell wenig erfreulichen Nena-Konzertes in Schwalmstadt vor Jahresfrist, konnte endlich nach einem Konzert wieder strahlen! Ein Interview mit Heinz Rudolf Kunze finden Sie hier!

NordhessenNews, Rainer Sander, 24. Februar 2008

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