Heinz Rudolf Kunze (Foto: Axel Cordes)

2008

Abwechslungsreich und voller Niveau

Heinz Rudolf Kunze und Rüdiger »Purple« Schulz eröffneten Kultursaison bei Karstadt

Ergeben hatte sich alles aus einer Kleinkunstreihe des Kölner Musikers Rüdiger »Purple« Schulz, zu der er 2006 Heinz Rudolf Kunze als Überraschungsgast einlud. Veranstalter und Moderator Hans-A. Pitzke war sichtlich stolz, die aus dieser ersten Begegnung resultierende Musikerkombination für das Eröffnungskonzert der Karstadt-Saison 2008 an Land gezogen zu haben. Und tatsächlich: Das Ergebnis war ein hoch unterhaltsamer, abwechslungsreicher, witziger und niveauvoller Abend mit fast zweieinhalb Stunden feinster deutschsprachiger Pop- und Rockmusik.

Von dem 51-jährigen Sänger, Komponisten und Keyboarder Purple Schulz (der seinen Spitznamen angeblich seiner früh offenbaren Liebe zu »Deep Purple« verdankt) keimen die meisten außerhalb der Domstadt wohl nur seinen Riesenhit »Sehnsucht«, das Stück mit dem erlösenden »Ich will raus!«-Schrei am Schluss. Die von dem mit reichlich Entertainerqualitäten ausgestatteten Kölner gleich zu Anfang vorgetragenen Stücke »Bis ans Ende der Welt« oder »Nur mit dir« kommen einem dann doch irgendwie bekannt vor. Zu letzterem bemerkt Schulz mit einem amüsierten Zwinkern seiner meist weit aufgerissenen Augen, dafür habe er 1992 einen Preis bekommen – von der Zeitschrift EMMA als »Macho des Monats April«.

Da Heinz Rudolf Kunze wohl über den höheren Bekanntheitsgrad verfügt, ist er offenbar als Headliner vorgesehen. Ab dem dritten Stück, einer humorigen Klage über eine »Programmänderung«, der die »Sendung mit der Maus« zum Opfer fällt, werden Schulz und sein langjähriger Gitarrist Josef Piek von Kunzes Langzeitpartner Wolfgang Stute verstärkt, der meistens das Cajon (kastenförmige Sitztrommel) bedient, aber auch gelegentlich zur Konzertgitarre greift, der er dann oft spanische Klänge entlockt. »Er wollte nur Aufschnitt nehm', nicht diese Tofucreme« ist eine Schenkelklopferparodie (inklusive Verkleidung) auf den Hit eines bekannten Soul-Jammerers aus Mannheim. Danach der größtmögliche Kontrast: Nur von Pieks zwölfsaitiger Gitarre begleitet, liefert Schulz am Mikro ein wahrhaft Gänsehaut produzierende Version von »Sehnsucht«, die die Hitsingle von 1985 um Längen schlägt.

Auch Heinz Rudolf Kunze, der danach die Bühne betritt und zunächst einige weitere Schulz-Songs mitspielt und -singt, nutzt das Semi-Unplugged-Format des Abends, um zu den Wurzeln seiner eigenen Lieder zurückzukehren: Vor Die Wahrheit vom letzten Hemd erzählt er, sein Song habe damals durch den Einfluss der Band so geklungen, »als wäre der junge Brecht bei Police eingestiegen«. Heute wolle er ihn so spielen. »wie er gemeint« war. Auch Möglicherweise ein Walzer, das er für Herman van Veen komponiert hatte, ertönt nun in der Fassung des Autors.

Purple Schulz (Foto: Axel Cordes)Die Lieder des Rockpoeten Kunze sind ernster und wortreicher als die teilweise am Rande des Sentimentalen liegenden Songs des Kollegen Schulz, der – teilweise bittere – Humor liegt in den Ansagen: Ultimatum (Rücknahme der Schöpfungsgeschichte in sieben Tagen) von 1982 leitet er mit der Bemerkung ein, in der Hitparade der Düsterheit könne dieses Stück zwischen Leonard Cohen und Nick Cave sicher den zweiten Platz einnehmen – was auch etwas über die musikalisch-literarischen Vorbilder Kunzes aussagt. »Ende mit dir« ist eine Hommage an Johnny Cash, komplett mit Countrygitarren und Spelunkenpiano. Bei Aller Herren Länder plötzlich die Assoziation an den ostinaten Rhythmus von »Magie Bus«. Der Verdacht bestätigt sich bei der allerletzten Zugabe: Das bekannte Keyboard-Intro, das Gitarrenriff? Keine Frage: Kunze singt »Won't Get Fooled Again« – der Saal steht Kopf! Als Inbegriff des deutschen Rockpoeten ein Konzert auf Englisch zu beenden ist ungewöhnlich, aber Kunze bekennt nach dem Auftritt, »The Who« habe er als Band immer über alle anderen gestellt und werde das auch weiter tun. Die Vermutung, zwischen ihm und Pete Townshend bestehe wohl eine Geistesverwandtschaft, bestätigt er in schönstem Germanisten-deutsch: »Ich möchte es hoffen dürfen.« – Ein wunderbarer Konzert

Giessener Allgemeine, Axel Cordes, 19. Januar 2008

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