Heinz Rudolf Kunze liest (Foto: Gerald Erdmann)

2006

„Mach sie heiß...“

Heinz Rudolf Kunze breitet sich gnadenlos in Panitzschs Kirche aus

Panitzsch. „Ich bin der Ober-coole, der Mega-Geile, der Frauenfühler, ich tanze aus der Reiche, ich ... “ Er war da und viele kamen, besetzten Kirchenbänke, die Kanzel gar: Heinz Rudolf Kunze – im Hohepriester:

Standpunkt

Unter der Gürtellinie?
Von Ingrid Hildebrandt

Darf man in der Kirche Zoten reißen? Muss man es nicht sogar, wenn Zoten W a h r h e i t e n transportieren zum Beispiel?

Hat das Christentum in seinen besten Zeiten nicht immer Stellung bezogen? Egal, ob von der der Kanzel oder vor der Kirchentür. Künstler jedenfalls haben es immer getan. Schön, wenn sich Gotteshäuser für ihre Auseinandersetzung mit der Welt öffnen. Denn jede Zeit hat ihre Mittel, jede Gesellschaft ihre Sprache. Aber, darf man im Kirchenhaus über „alles Nuttige dieses Erdballs“ herziehen? Ja. Muss der Pfarrer Angst vor den Oberen haben, wenn hinter Kirchenmauern das Wort „Fi...“ benutzt wird? Nein, nicht wenn man Zustände so auf den Punkt bringt, wie Heinz Rudolf Kunze es tut. Denn hinter Jargon kann Nachdenklichkeit und Poesie aufleuchten. „Nehmen sie meine Flapsigkeit richtig, alles was ich auf die Schippe nehmen will, sind Worthülsen, ist Verlogenheit“, sagt Kunze. Die Welt zum Besseren ändern, das ist immer noch das, was Künstler wollen. Heinz Rudolf Kunze: „Das Jüngste Gericht war schon da, wir haben es bloß noch nicht gemerkt. Die Leute kennen keine Bibel mehr, keine Gnade, keine Märchen, kein Erbarmen. In Wahrheit brauchen wir nicht zehn, sondern zwölf Gebote.“ Oder mehr. Recht hat er, der Heinz Rudolf Kunze.

Da sitzt er also, grauer Bürstenschnitt, maliziöses Lächeln. Schließlich weiß nur er allein, was er seinem erwartungsvollen Publikum gleich servieren wird: Lauter kleine Frechheiten, die zu Wahrheiten werden (sollen). Denn der Ohrwurm-Macher wird im Kirchenhaus zum Niedermacher. Zutaten: die deutsche Sprache und der alltägliche Wahnsinn. „Die Birne weich, das Hirn verschlammt, warum nicht gleich ins Kanzleramt?“ Im Fließband-Tempo rattert der Hannoveraner seine Wortspiele runter, eine Pointe jagt die nächste, ein bisschen Beatnik, ein bisschen Tucholsky und ganz viel Kunze. Von trocken-cool bis selbstverliebt und manchmal wird’s auch billig. Immer dann, wenn er Pointen um der Pointe willen schießt oder Witze macht, über die maximal das letzte Stammtisch-Personal lacht. Dann zeiht er über aus dem Leim gekommene Lockenwickler-Katastrophen“ her oder stellt fest, dass mit Frauen zu diskutieren genauso sei „wie Ponys Altgriechisch beibringen“. Kein bisschen Sarkasmus, kein bisschen doppelter Boden, aber ganz vie Frauenroman-Niveau.

Da halten wir uns doch lieber an seine Zeitgeist-Analyse – aufgeschrieben, auch in seinem kürzlich erschienenen Buch Artgerechte Haltung. „Wir sind mittlerweile mit Ländern befreundet, da haben Panzer früher nicht mal zum Tanken angehalten“. Oder: „Das Hässliche an den Deutschen ist ihre moderne Schamlosigkeit“. Zur dümmlichen Dauerberieselung der Medien: „Bringen Sie dieses Gebäude, in dem wir tot gehalten werden zum Einsturz, wir können die Welt ändern – respektlos.“

Zum Thema Karriere: „Was Sie wirklich brauchen, wenn Sie nach oben wollen, ist ein gebleachtes Dauergrinsen. Die Beißerchen blecken“, rät der Alt-Rocker. „Zeigen Sie ihre weißen Waffen.“

Ja, dieser Mann kennt keine Gnade, seine Texte kein Pardon. Kurze Verschnaufpausen nur wenn Gitarrist Wolfgang Stute spielt und Kunze empfiehlt: „Mach sie heiß Wolfgang, mach Panitzsch zur Soul-Metropole Mitteleuropas“. Dabei ist doch Kunze selbst für Poesie zuständig: „Ich bin Sonne, Mond und Sterne, wenn ich mit den Fingern schnippe, regnet’s in aller Bescheidenheit Kometen.“ Damit es um Himmelswillen nicht zu poetisch wurde, gab es schnell noch einen lakonischen Abschied „Bleiben sie gesund und fressen sie keine Schwäne.“

Muldentaler Kreiszeitung, Ingrid Hildebrandt, 21. Februar 2006

Copyright & Datenschutz Heinz Rudolf Kunze Top