Heinz Rudolf Kunze – Georgsmarienhütte Dütehalle Freitag, 02.05.2003
Pünktlichkeit ist angeblich eine deutsche Tugend ... Wenn dem so ist, dann sind Heinz Rudolf Kunze und seine Band sehr tugendhaft, denn das Konzert begann exakt um 21:00Uhr.
Die Dütehalle liegt vor den Toren Osnabrücks, der ehemaligen Heimatstadt von Heinz Rudolf. 2000 Leute passen dort hinein. An diesem Abend war sie zumindest mehr als halbvoll. Es ist eine dieser neuen Veranstaltungsorte, die speziell für Events konzipiert wurden. Vorne die Bühne mit unbestuhltem Parkett und weiter hinten die Gastronomie und kleine Tischchen mit Barhockern. Wer hier Platz nimmt, der hat einen guten Überblick, da diese Sektion etwas erhöht gebaut wurde. Der Brandschutz ist vorbildlich. Eine Katastrophe wie in Amerika bei Great White kann nicht passieren. Jede Menge gut ausgeschilderte Notausgänge, die auch alle unverstellt sind.
Solch eine Location hat Osnabrück mit seiner viel zu kleinen Stadthalle nicht zu bieten! Das war wohl der Grund für Heinz Rudolf Kunze hier aufzutreten.
Neben der Pünktlichkeit zeigte er aber auch noch andere Tugenden. Das neue Album wurde quasi Stück für Stück exakt in der Reihenfolge wie der CD gespielt, und siehe da, es funktionierte prächtig! Ein brillant klarer Sound, der nur ganz selten von einem kleinen Knistern begleitet wurde erlaubte es jedem seine Ohren nicht martern zu müssen. Und was noch wichtiger war man konnte den Gesang gut verstehen. Gerade bei Heinz Rudolf Kunze dem Wortschnitzer und Feiler ist dies ja bekanntermaßen wichtig. Bei der Begrüßung lieferte er ein Hermann Hesse-Zitat als Erklärung, warum er denn nun mit komplett neuer Mannschaft arbeitet. Der Mann hat vollkommen Recht. Heinz Rudolf hat sich wieder unter das Volk gemischt und mit jungen Talenten neues ausprobiert und trotzdem ist unverkennbar Kunze herausgekommen.
Das Verständnis der Band untereinander scheint klasse zu sein, auch das ist wichtig um seinen Kopf frei zu haben. Neben den vielen neuen Stücken griff Heinz Rudolf hier und da ganz tief in seinen Plattenschrank und ließ uns noch einmal den "Pfingstmontag auf dem Balkon" erleben und besonders gefreut hat ihn wohl, dass noch ein anderes Stück seines Erstlings endlich den Weg auf die Bühne fand: Noch hab ich mich an nichts gewöhnt! Sein Basser Leo Schmidthals fand gerade dieses Stück beim Wühlen im kompletten Songfundus klasse, was Heinz Rudolf strahlen ließ, hatten doch alle früheren Bandmitglieder dieses Stück nach Kunzes Aussage alle scheiße gefunden. Ich bin da wie auch wohl das Publikum Leos Meinung. Es könnte immer noch das Motto von heute sein. Wer sich an nichts gewöhnt bleibt aufmerksam und kritisch! Außerdem hat dieser Titel absolut keine Patina angesetzt.
Von den 13 Titeln des neuen Albums bringt er neun zum Vortrag, wobei ich aber nicht alle verraten möchte, da ein bisschen Überraschung für Konzertbesucher bleiben muss. Doch soviel sei hier gesagt. Die Stücke sind live alle hervorragend umgesetzt. Am meisten hat mich dabei Killroy was here beeindruckt! Die Band spielt, als wären sie schon Jahre zusammen, dabei sind sie doch alle "so viel Jünger" als ihr Frontmann, wie dieser ironisch traurig bemerkt, "lediglich der Keyboarder Matthias Ulmer ist fast so alt wie ich" kokettiert er.
Heinz Rudolf wäre nicht er selbst, wenn er nicht auch zwischendurch mit kurzen Erklärungen, Gedichten und Zitaten das Publikum zum Nachdenken oder auch Schmunzeln bringt. Was ihm hier in Georgsmarienhütte ganz besonders am Herzen lag, das war wieder einmal, dass er durch Sinnentstellend verkürzte Zitate als "Kriegsfreund" in Sachen Irak hingestellt wurde! Oft gebrannt für seine Statements lieferte er eine völlig zutreffende Story dazu, Seinen Hit Aller Herren Länder erweiterte er um die Textzeile "Du wirst nie zuhause sein, wenn der Orient Dich nur durch Bomben kennt und du kommst als ungebetener Gast, wo Du nichts zu suchen hast!" Um die Sache noch etwas zu verstärken saß er wie einst Bob Dylan in Protestsängerhaltung mit Mundharmonikagestell und Gitarre vor dem Mikrofon und brachte den Song in dieser Spielart. Die Halle applaudierte lang anhaltend und ohne Ausnahme. Es muss doch für Sänger deutscher Zunge möglich sein ihre Meinung zu sagen(singen). Auch wir vom German Rock e.V. sind gegen Zensur in unseren Köpfen. Wenn jemand für seine Meinung steht – ist das ok. Man kann zustimmen oder ablehnen, aber man sollte so tolerant sein diese Meinung ausgesprochen stehen zu lassen! Wir haben hier im Land viel zu wenig Kunzes.
Zurück zum Konzert: Erst kurz vor dem Ende kamen die etwas rockigeren Hits wie Alles was sie will und Meine eigenen Wege. Hier glänzte der als "Naturereignis aus Wilhelmshaven" angekündigte Gitarrist Jörg Sander.
Das Publikum erzwang ganze vier Zugaben, die mit jeweils zwei Stücken erfüllt wurden. Sie sangen einfach immer wieder den Refrain: "Wenn Du nicht wiederkommst!" Und dann kamen sie die Hits gemischt mit Wunschliedern von Heinz Rudolf. So gab es neben Ich brauch dich jetzt, Finden Sie Mabel, Alles gelogen, Wenn du nicht wiederkommst und natürlich auch Dein ist mein ganzes Herz, letztere beiden Stücke im Mix! Gut war, dass Heinz Rudolf nur bei seinem Superhit – und auch da nur an ganz wenigen Stellen – das Publikum mitsingen ließ und dabei schwieg. Andere Bands weiten diese Spielchen teilweise so endlos aus, dass vom eigentlichen Titel fast nichts mehr über bleibt.
Er hat mit seiner Verstärkung über zweieinhalb Stunden bestens unterhalten, die Leute nachdenklich gemacht, oder auch zum Schmunzeln gebracht (köstliche Szenen aus dem Eheleben vor Alles gelogen). Wer einmal seine Seele baden und trotzdem tanzen und (oder) Spaß haben will, der sollte in die Konzerte gehen, denn dieser Rückenwind ist ein frischer Luftzug in teilweise muffige Musikwelten!
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