Konzertfoto (Bild von Gerald Erdmann)

2002

Liebesgrüße aus dem Unterbewußtsein

Heinz Rudolf Kunze in der Semperoper

Der Mann sucht die Komplikationen: Heinz Rudolf Kunze packt seine ausgefeilten Texte gerne mal in lockeren Pop, was sie zu Ohrwürmern und ihren metaphorischen Gehalt leicht konsumierbar macht. Ab und zu schwirren schräge Klänge mit verwirrenden Botschaften durchs Gesamtwerk. Und dann gibt es noch die reine Lyrik, die sich bei Kunze von absurden Konstruktionen über bittere Anklagen bis hin zu schwarzhumorigen Plänkeleien hangelt. Ein breites Spektrum, das schwer unter einen Hut zu bringen ist. Am Sonntag versuchte sich Kunze wieder einmal daran – in der ausverkauften Dresdner Semperoper präsentierte er letztmalig sein aktuelles Programm.

Das stützt sich vor allem auf sein Album Wasser bis zum Hals steht mir, das sein Autor "anders" nennt, weil es literarischer ausgefallen ist. Live fährt Kunze diesen Anspruch etwas zurück, betont aber dennoch das Andersartige. Keine Band steht ihm bei, lediglich Keyboarder Matthias Ulmer und Heiner Lürig – der von Bass und Gitarre bis zu Vibrafon und Sampling-Maschine alles bedient – assistieren Kunze. Gute Songs kriegen sie auch zu dritt mühelos hin, Meine eigenen Wege etwa, Der schwere Mut oder Lisa. Ältere Nummern, die dem Konzept nicht im Wege stehen. Der Mitklatsch-Appell vor Gute Unterhaltung, die Frohsinns-Einschübe mit Eine volle Stunde ohne Alkohol oder Sicherheitsdienst durchbrechen das Prinzip schon eher. Vor allem in einem Musik-Tempel wie der Semperoper wirken derartig simple Gute-Laune-Tests eher deplatziert. Das schien wie die Befreiung von der Last des intensiven Zuhörens, bei der gleich noch die spezielle Spannung des speziellen Programms flöten ging. Wenn Kunze Texte wie Die chinesische Wasserfolter las, im Unterbewusstsein kramte, die Liebeserklärung auf die sexuelle Dimension reduzierte oder gegen den Militäreinsatz deutscher Soldaten polemisierte, verwischte er geschickt die Grenze zwischen Dichter und Agitator. Wer sich an seinen provozierenden Thesen stößt, denkt immerhin nach, was ja nicht die schlechteste Reaktion ist. Im Takt der tausend Hände huschten schwere Gedanken aber flugs davon und der "andere" Abend endete wie jedes bejubelte Konzert.

Andy Dallmann, Sachsen Zeitung Online, 23. April 2002

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