Heinz Rudolf Kunze live

2002

Vor dem Altar steigt Nebel auf

Wasser bis zum Hals steht mirHeinz Rudolf Kunze stellte in der Paul-Gerhardt-Kirche sein Album vor

Mit Heinz Rudolf Kunze sind immer auch Hoffnungen verbunden. Unbeirrt besetzt er das Intellektuelle in der deutschsprachigen Rockmusik mit schwermütigen Liebesballaden oder geistreich auftrumpfenden Abklärungsliedern. Wir haben verstanden. Die Phase macht wohl jeder mal durch, manche bleiben dabei. HRK auch.

So muss auch dem inzwischen dritten "anderen" Programm das Etikett "literarisch" ins Leibchen genäht werden. Andere nennen es Song-Ansagen. Die sind bei einem Poeten, dessen Kopf sein "Kummerkasten ist, seit er denken kann", weniger spontan als ausgeklügelt. Aus dem Leben gerissen, gedreht, gewendet und sprachlich gewrungen, bis Halbsätze als Pointen blitzen, pendeln die Texte zwischen Aphorismus und Kalauer ("Was tragen die Kinder in ihren Schultoleranzen ..."). Die Musiker Heiner Lürig und Matthias Ulmer verpacken das an Gitarren und Keyboard Stil-übergreifend, machen selbst vor einem Rap (Nichts ist so erbärmlich wie die Jugend von heute) nicht Halt.

Präsentiert vom Anker und ausverkauft bis in den Mittelgang, erinnert die Atmosphäre am Sonntag Abend in der Paul-Gerhardt-Kirche ans Festival des politischen Liedes oder einen Hörsaal voller Germanistikstudenten, Nebenfächer Psychologie und Kulturwissenschaften. Es überwiegen Menschen, die nicht Kumpels haben, sondern Freunde. Die Tour zum 22. Album Wasser bis zum Hals steht mir geht gut als Best-Of-Programm der alten Lieder durch. Lisa trifft den Sicherheitsdienst. Leichtes Spiel für einen Wiederdenker der Zweifel, den Hinter-die-Erscheinung-Gucker, der liebend gern "ein Mann des vorigen Jahrhundert" bleibt. Dankbar werden nach der Pause seine Wortspiele zum Krieg aufgesogen. "Wenn das so weiter geht mit dem Beifall, muss ich wohl eine eigene Partei zu gründen". Da wird viel gelacht im Kirchenschiff. Befreit, bitter, zustimmend. Es rettet über die neuen Songs der jüngsten Platte, die von persönlichen Auszeiten erzählen, dem Endgültigen Ozean, der Verteidigung der Stammtische.

Vorm Altar steigt Nebel auf. Die Gemeinde jubelt. Hoffnungen haben sich erfüllt.

Janina Fleischer, Lepziger Volkszeitung, 20. März 2002

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