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Dahin wo es weh tut
Heinz Rudolf Kunze scheut im Cafe Reithalle keinen Zweikampf
"Hallo Deutschland. Keiner zuhause?" Doch. Da ist wer. Selbst in München, wo Heinz Rudolf Kunze traditionell so seine Probleme hat. Das Cafe Reithalle war gut besucht am Samstag. Sogar aus Wien waren einige gekommen, um Kunzes drittes "literarisches Programm" zu sehen. Der Titel: Wasser bis zum Hals steht mir. Wie gut? Das, so Kunze, müsse jeder schon selbst entscheiden.
Kunzes "literarische Programme" sind keine Lesungen, auch keine Konzerte. Sie sind eine kaum gepflegte Kunstform, die sich irgendwo zwischen diesen beiden Welten bewegt. HRK (im Laufe des Abends selbst an so ziemlich allen Instrumenten) spricht oder singt. Matthias Ulmer (Keyboards, Sounds) und Heiner Lürig (Gitarre, Klavier, Stimme) begleiten ihn musikalisch und verleihen seinen Texten mit Geräuschen und zum Teil verblüffenden Sound-Effekten eine ganz eigene Atmosphäre.
Eigen sind auch die Texte. HRK schöpft dabei aus dem Fundus seiner inzwischen 22-jährigen Bühnenkarriere. So kommen selten gehörte Stücke zu Gehör (Lisa, Der schwere Mut), aber auch noch Unveröffentlichtes. Um in seiner eigenen Sprache zu bleiben: Kunze scheut dabei "keinen Zweikampf", er geht "dahin, wo es weh tut". Ja, und er wird auch deutlich, nicht nur, wenn es um die Ereignisse des 11. September geht: Nur wer keine Hoffnung mehr habe, meint er, "beißt in Stahlbeton".
Doch viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht. Vielleicht noch während seiner schaurig-schönen deutschen Version von John Lennons Friedens-Hymne Imagine. Doch schon geht es auch wieder weiter im Programm, einer politischen und gesellschaftlichen Bestandsaufnahme, die mal bitter ("Der Kanzler"), mal richtig böse (Die chinesische Wasserfolter), dann aber auch wieder selbstironisch-Augen zwinkernd (Nichts ist so erbärmlich wie die Jugend von heute) ausfällt.
Manche Gedichte (Bestandsaufnahme) haben auch nach 22 Jahren nichts an Aktualität und Eindringlichkeit eingebüßt, nur dass eben nicht mehr die "23 vor dem Komma" steht, sondern die 45. An Kunze kann man sich reiben, weil er unbequem denkt, weil er anprangert, weil er nicht anders kann: Ihm steht das Wasser bis zum Hals. Er will es so, und das steht ihm gut!
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