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Wasser bis zum Hals steht mir
"Das dritte andere Album" untertitelt Wortverdreher Kunze sein neuestes Kopfwerk. Doch eigentlich ist es das erste wirklich andere. Denn die beiden Vorgänger auf der literarischen Schiene, Sternzeichen Sündenbock und Der Golem von Lemgo waren Liveaufnahmen von Lesungen mit gelegentlicher Musikuntermalung bzw. -unterbrechung. Diesmal ging Heinz mit seinem Langzeitpartner Heiner Lürig und Keyboarder Matthias Ulmer schon vorab ins Studio, um seine Sprechtexte in mitunter äußerst gewöhnungsbedürftige Soundbäder zu tauchen. Was sich 1999 in Der Trojanische Pferdedieb auf dem Album Korrekt schon angekündigt hat, wurde nun konsequent weiterverfolgt. Dräuende, unheilverkündende Klanggebilde umhüllen Abhandlungen voll Gift und Galle wie Die chinesische Wasserfolter oder seltsame Wortkaskaden. Während Hallo Deutschland historisches Tonmaterial als Wortschnipsel einstreut, klingt So La La wie das entfernte Echo aus dem Irrenhaus Deutschland. In Auszeiten dagegen wartet das konsequente Rückzugsgefecht des Künstlers vor der Öffentlichkeit mit durchaus versöhnlichen Zwischentönen auf. All jenen, die Heinz lieber singen als sprechen hören, sei versichert, dass, wo immer es die Reime zuließen, sie auch songtechnisch verarbeitet wurden. Dabei bediente sich Kunze voll Abenteuerlust der unterschiedlichsten Stile. Am amüsantesten ist wohl der Ausflug in den Rap auf Nichts ist so erbärmlich wie die Jugend von heute. Und wer das grandiose Vorgängeralbum Halt als sein allerliebstes nennt, wird zumindest im wunderschönen Die Verteidigung der Stammtische ein Trostpflaster finden. Klar ist, dass zum neuen Werk eher nur hartgesottene Kunze-Fans Zugang finden werden. Klar ist aber auch, dass man vor soviel Mut zum Neuen, zum Anderen, zum Jenseits aller Schubladen den Hut ziehen muss.
Michael Puchner, X-act, März 2001
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