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2001

Kein "Halt!" in Cloppenburg – Kunze fängt erst an!

Tournee-Premiere vor 850 Zuhörern in der Stadthalle

Cloppenburg – Nee, tanzen kann er nicht, der Kunze. Aber Grönemeyer auch nicht. Doch was der Herbert aus Göttingen außerdem nicht können will, das kann Heinz Rudolf, der grobmotorische Feinrhetoriker aus Guben an der Neiße, schon seit 20 Jahren nicht mehr lassen: komplette deutsche Hauptsätze und handwerklichen Rock zu nachdenkbaren Fetenkrachern mit hohem Wiedererkennungswert verhütten.

Nett kann er sein, der Kunze. Etwas unsicher zwar, als er mit verkniffenem Grinsen die Stadthallen-Bühne in Cloppenburg betritt und mit leichter Verbeugung den Cowboyhut zum Gruß an die johlenden 850 lupft, um gleich um Verständnis zu werben. Versuchskaninchen seien sie, die Zuhörer. Denn sie sind am Samstagabend Zeugen des ersten Konzerts der neuen Halt-Tour.

Keine Überraschungen, kein Stilbruch auf der Halt-CD, die Heinz Rudolf Kunze im Januar vorgestellt hat, aber eben auch keine Enttäuschung. So ist es auch im Premierenkonzert: Kunze, wie man ihn kennt – schmusig, rockig, vor allem nachdenklich. Herz- und hirnerfrischend halt. Der Versuchung kurzlebiger Erfolgsversprecher, gemessen etwa in "beats per minute", ist er nie erlegen. Kunze hält’s da schon eher mit Themen wie dem Kafkaesken in der deutschen Wiedervereinigung. Mit Liebe beworfen, an ihrer Fäulnis krepiert: Beziehungen im Großen und im Kleinen und deren Katastrophen interessieren ihn auch auf seinem 21. Album.

Wo warn wir stehngeblieben! fragt er beispielsweise in einer seiner unverwechselbaren Balladen, bei denen er sich selbst am Klavier begleitet, und trauert einer großen Freundschaft nach, die im Alltag verflacht. Fühlst du das? lautet der Titel eines weiteren Songs, mit dem er seinen Tourneeauftakt eröffnet und in dem ihm die Quadratur des Kreises gelingt: wortgewaltig zu sagen, was keiner Worte bedarf. Nämlich, daß er sie liebt.

Es sind die weniger phonlastigen Werke, die dem Zuhörer den Kopf freilassen, um das Gesungene zu verstehen, aber auch die mit Vehemenz vorgetragene Forderung nach sozialer und kultureller Hygiene ("Hab’ ich Schilder übersehn, die direkt vorm Abgrund stehn? Dieser Stummfilm aus Gewalt. Schau gut hin und sage Halt!"), über die man eigentlich keinen Gedanken mehr zu verschwenden haben sollte, die zum Markenzeichen des musizierenden Germanisten wurden.

Doch: Er kann’s noch. Lange genug geübt hat er ja. Nur tanzen. Tanzen lernt er wohl nicht mehr, der Kunze. Muß er auch nicht. Grönemeyer tut’s ja auch nicht.

Heinrich Kaiser, Münsterländische Tageszeitung, 23. April 2001

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