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1999

ANSICHTEN EINES POPSTARS: In den letzten 15 Jahren hat sich Heinz Rudolf Kunze – bis auf die Gestaltung von Bart und Brille – nicht sonderlich verändert.

Kunze – der Größte seit Shakespeare?

Erfolg der neuen CD gibt dem ehemaligen Osnabrücker Selbstvertrauensschub – Stadthalle im Visier

"Normalerweise steckt ein Vogel Strauß seinen Kopf in den Sand. Meiner nicht. Meiner hat einen Kopfhörer auf", sagt Heinz Rudolf Kunze. Der deutsche Rockbarde hat sich nicht etwa ein neues Haustier zugelegt, sondern er spricht vom Cover seiner jüngsten CD Korrekt. Die kommt doppelt verpackt daher: Die reguläre Hülle aus Plastik gibt den Blick auf dieses Booklet frei. Das ganze steckt aber in einem Pappschuber, auf dem HRK mit Brille und Hut abgebildet ist.

"Das Foto mit Hut ist ohne Zweifel das plakativere Motiv, aber auf die Innenhülle bin ich extrem versessen und stolz, denn die habe ich selbst so inszeniert." Man spürt förmlich, daß es lange Verhandlungen mit der Plattenfirma gegeben haben muß, bis dieser Kompromiß geschlossen war. Denn die Firma will ein Produkt verkaufen, und dafür muß es ansprechend aussehen. Und nicht surreal – mit gefesselten Künstlern und Schornsteinfegern, die einen Weltraumhelm tragen. Aber Kunze ist nun mal ein Musiker mit Anspruch. Und wenn der sich was Spezielles ausdenkt, wird das nicht einfach vom Schreibtisch gefegt.

"Der Strauß mit dem Kopfhörer will etwas hören", erklärt Kunze seine Metaphorik (die leider nicht ganz korrekt ist, denn der abgebildete Laufvogel ist wohl eher ein Nandu, der südamerikanische Vetter des Strauß, sagt die Biologin). "Ich bin zu sehen als unverstandener Dichter, der sich selbst zum Opfer bringt. Und der Schornsteinfeger liegt im Koma, weil er zu schnell durchs Dach nach oben gestiegen ist, um den Mond zu suchen. Schmerzhaft ist er wieder unten aufgekommen."

Der Künstler lacht. Das Bild gefällt ihm. Ebenso die knutschenden Cheerleaders, die im Hintergrund die "immer problematischer werdende Situation zwischen Mann und Frau" symbolisieren sollen. Wer es einfacher mag, schaut sich halt nur das Brillenbild mit der Melone an.

"Der Hut stammt aus der Zeit, als wir beim Friedensfestival in Osnabrück aufgetreten sind", erinnert sich der Wahlhannoveraner. "Damals kam ein Fotograf zu mir und sagte, daß ich noch nie mit einer Kopfbedeckung aufgetreten und abgelichtet worden sei. Dann gab er mir den Hut, den ich seitdem trage. Er bringt mir Glück."

Offensichtlich. Denn die Nachfrage nach dem wortbesessenen Deutsch-Rocker scheint wieder gestiegen zu sein. Sein Album plazierte sich auf Anhieb auf Platz zwölf der Verkaufscharts. "Das war der rasanteste Charteinstieg, der mir bisher widerfahren ist", erklärt Heinz Rudolf, der mit seiner neuen Scheibe etwas korrigieren will. "Mein letztes Album war so etwas wie eine Anti-Zeitgeist-Platte, bei der ich mich musikalisch zu sehr beschränkt habe."

Jetzt also die Korrektur. Und die fiel bunt aus. Da hört man Anleihen an die Neue Deutsche Welle mit Elektrobeats und Synthiesound. Hardrock und Independent hinterlassen Spuren, dazwischen Besinnliches und die beliebten Balladen mit doppeltem Boden: schöne Melodie versus bitterbösen Text.

"Beim NDR haben dutzendweise Leute angerufen, als meine neue Single gespielt wurde. Sie wollten Aller Herren Länder unbedingt noch einmal hören, weil sie beim ersten Mal nur auf die Musik geachtet hatten und dann wissen wollten, worum es inhaltlich eigentlich geht." Die Tatsache, daß Hörer sich mit seinen sarkastischen Texten auseinandersetzen, bereitet dem singenden Dichter Freude: "Das gibt einem ja den Glauben an die Menschheit zurück", jubelt er verhalten der, der sich selbst eher als Pessimisten sieht. Und als jemanden, der die Menschheit spaltet: "Die einen verfluchen die Tatsache, daß ich auf die Welt gekommen bin, die anderen sehen in mir den Größten seit Shakespeare."

Zum Tourauftakt probt Kunze in seiner alten Osnabrücker Heimat. "Wir suchten nach einem intimen kleinen Platz für die Saalprobe. Da bot sich die Lagerhalle an, die bei mir Erinnerungen an meine Studentenzeit weckt. Dort habe ich meine ersten Konzerte gesehen und damals auch schon selbst gespielt." Das nach den Proben stattfindende Konzert ist natürlich ausverkauft, aber: "Zum zweiten Teil der Tournee im Herbst kommen wir dann noch einmal nach Osnabrück." Dann darf es vielleicht auch wieder die Stadthalle sein.

Tom Bullmann, Neue Osnabrücker Zeitung, 13. April 1999

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