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Der Text zu "Vergiß es" ist ebenfalls auf folgender DVD-Box erschienen:
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In alter Frische |
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Vergiß es
Februar 89. Das Ozonloch sorgt für schlaffen Vorfrühling,
kahl und kopfschmerzfreundlich,
der Spaziergang durch schmutzige Nacktnatur
erlaubt etwa so viel Durchatmen wie ein Einkaufsbummel
durch neonstickige Kaufhäuser, zweihundert Jahre
Französische Revolution, Freizeit, Weichheit und der
Streichkäse mit dem gewissen Knoblauch extra.
Die Russen führen Breakdance-Kurse in den Kasernen ein,
eine westdeutsche Bierfirma findet endlich die Antwort
auf den Kalorienkreuzzug der Amis: JEVER LIGHT,
schon verdammt nah dran am bierfreien Bier. Na denn!
Hat ja auch was, nicht mehr besoffen zu werden,
dem gähnenden Grauen nüchtern ins Auge geblickt,
rein in die Thermo-Hose und rund um den Pudding gejoggt,
um alles, was sich nicht mehr bewegt,
Marathon ist nichts dagegen.
Weltschmerz? Ich seh dein Problem nicht, Alter.
Läuft doch alles bestens! Sogar die Weiber werden wieder normal,
die regen sich doch höchstens noch darüber auf,
daß sie nicht Priesterinnen werden dürfen,
der Macho ist voll aus der Schußlinie!
Denk an meine Worte: Die 80er waren ja ziemlich nervös,
die 90er werden viel einfacher, geiler.
Yuppies mit Ohrringen stampfen mit Maßkrügen Beifall
in rechtsradikalen Bierzelten, der Kanzler lernt Englisch,
wenn der Bundespräsident ihm verspricht, kein Russisch zu lernen,
in schattigen High-Tech-Laboren arbeitet man fieberhaft
an der Mentalzigarette und der Freundin mit Wiederwahltaste.
Wirst sehen, alles wird gut.
Und wenn mir manchmal das Herz die Brust schier zersprengt
und ich wieder nicht weiß, ist das nun Vorfreude
oder sind's doch die Kranzgefäße,
dann leg ich mich einfach in dunkle Räume
und flüstere zwanzig Minuten lang: Vergiß es, Alter.
Vergiß es.
Das hilft.
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