Titelseite von "Mücken und Elefanten"

1992

Der Text zu "Koblauch" ist ebenfalls auf folgender DVD-Box erschienen:

Cover der DVD-Box "In alter Frische" In alter Frische

Knoblauch

Bei uns zuhause gab es kein Knoblauch.
Knoblauch, das war der Atem fremder Völker,
wo's nicht so sauber war wie hier und nicht so blond.
Um Himmels willen, das hatte nichts mit früher zu tun,
als man alle, die nach Knoblauch rochen,
aus den Augen aus dem Sinn geschafft hat, Gott bewahre,
man mochte Knoblauch einfach nicht,
unser täglich Graubrot gib uns heute,
aus, fertig, Mahlzeit.
Oregano war ein Fremdwort,
es gab zwar Spaghetti, doch die hießen bei uns Nudeln,
übergossen mit Soße, hellrot wie das Springblut
abgestochener Schweine, die dann als Wurstklumpen
in Mehlschwitze schwammen.
Salbei, Liebstöckel, Kerbel, Thymian – alles weit weg
und da sollte es bleiben.
Man war zwar weit rumgekommen väterlichseits,
bis nach Sibirien,
aber niemals dahin, wo es duftet.
Solange ich meine Füße unter diesen Tisch stellte,
hatte ich Maulsperre: Jeder Eintopf eine Kesselschlacht,
Löffelabgeben gilt nicht.
Ich glaube, meine erste Pizza aß ich als Student.
Nicht auszudenken, was aus mir geworden wäre
ohne die Fremden, die über die Butterberge kamen,
die nach Knoblauch rochen und hier schufteten
für Geld und böse Worte,
und die hier Genüsse verbreiteten, die mich wachküßten
aus meiner Schweinskopfsülze, in der ich
eingebettet lag wie ein Cholesterinschneewittchen.
Mein Mißtrauen gegen Knoblauchverächter ist groß.
Wenn die Vampire kommen, kauen die nur ihre Nägel.
Sonst nichts.

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