Cover des Live-Albums "Die Städte sehen aus wie schlafende Hunde"

1984

Text Heinz Rudolf Kunze
Verlag Oktave Musikverlag

"Ich hatte einen Traum" ist ebenfalls auf folgendem Album erschienen:

Cover des Albums "Der schwere Mut & Die Städte sehen aus wie schlafende Hunde" Deluxe Edition Der schwere Mut & Die Städte sehen aus wie schlafende Hunde
Deluxe Edition

Der Text zu "Ich hatte einen Traum" ist ebenfalls in folgendem Buch erschienen:

Cover des Buches "Papierkrieg" Papierkrieg

Ich hatte einen Traum

Zwischen all den amerikanischen Kriegsschiffen vor Nicaragua tauchte plötzlich ein kleiner Musikdampfer auf, auf dem standen die Doors und spielten Spanish Caravan, und richtig, Jim Morrison lebte noch, die Gerüchteköche hatten also recht behalten, er hatte beachtlich abgenommen und sang wie ein junger Gott. Das US-Fernsehen, das eigentlich nur auf Granateneinschläge, Trefferquoten und Yankees in Sandinista-Uniformen, die einen Angriff provozieren sollten, vorbereitet war, schaltete schnell und war live dabei. Nach wenigen Takten hatten die Ledernacken Tränen in den Augen. Und Jim holte wie damals in Miami seinen Schwanz heraus, diesmal aber sehr sanft, und hielt ihn in die Sonne. Und alle Ledernacken sahen nachdenklich an sich herunter und dachten: Stimmt, den gibt's ja auch noch. Und viele von ihnen erinnerten sich an einen Hit, der pausenlos in ihren deutschen Garnisonen zu hören war und der besagte, daß die Liebe Liebe Liebe viel mehr Spaß macht als irgendwas. Und sie rührten ihre Knarren und Knöpfe einfach nicht mehr an. Auch der Präsident, der gerade damit beschäftigt war, eine Studie zu lesen, die den bevorstehenden Zusammensturz der Freiheitsstatue aufgrund von Umweltschadstoffen beschrieb, hatte seinen Fernseher eingeschaltet, hörte die Doors und betrachtete das freundlich in die Sonne blinzelnde Weichteil des sympathischen jungen Mannes mit der hochdramatischen Stimme. Und ein langsames Erinnern aus den tiefsten Rindenschichten seiner Jugend hob bei ihm an. Noch am gleichen Abend kündigte er seinen Job, um sich in Abgeschiedenheit dem Nachdenken, der Freundlichkeit und eben diesem Erinnern zu widmen. Diesen Traum hatte ich. Und den will ich allen, die zuhören möchten, weitererzählen, ohne ihn zu deuten.

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