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Der Text zu "Eine Katastrophe weniger" ist ebenfalls auf folgender DVD-Box erschienen:
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In alter Frische |
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Eine Katastrophe weniger
Heute spielen sie im Mittagsmagazin
die ewig gleiche Zwischenmusik von Elton John ganz aus,
also ein Tag mit einer Katastrophe weniger als üblich.
Ein guter Tag! Fast haben wir's erreicht,
daß alles so aussieht wie alles.
In den Boutiquen wird nur noch getanzt,
in den Discos probiert man Klamotten an.
Mein Hund zieht eine vermoderte Maus,
die nicht einverstanden war, aus einer Erdfalte.
Der Finanzminister kürzt,
die Verbände der Opfer protestieren,
ein Paar Betrunkene fallen vom Fahrrad
und bleiben erst mal liegen, man weiß ja nie.
Da alles einfach weitergeht und keiner weiß wie,
sehen die Menschen in den Straßen aus,
als schauten sie heimlich und ungläubig sich selber zu.
Die Grünen geben ökologische Talk-Shows in Kuhställen,
junge Gesprächspartner von der Bundeswehr benutzen ihre Gesichter
als Squash-Schläger,
die Kühe brunzen jeden zweiten Satz vom Tisch.
Ein alter brauner Fehler wird korrigiert:
Menschenversuche – endlich leichtgemacht!
Studenten und Arbeitslose atmen Gift für Stundenlohn,
die nächsten Juden kann man kaufen.
Gebißträger fragen, Honighersteller antworten.
Persisches Terrorkommando dringt ins «Was bin ich»-Studio ein,
erschlägt Robert Lemke mit einem Schweinderl.
Ehe das maskierte Rateteam «Stellen Sie etwas her» fragen kann,
wird es an die Wand gestellt, die Masken darf es aufbehalten.
Der begnadete linke Feingeist flucht in seinem neuen Roman
die ganze Epoche ins tiefste Vergessen hinab,
gekauft wird er nur noch von versprengten Studienräten,
die als halbe Analphabeten die Uni verließen.
Ein kleiner Junge läuft durch den Supermarkt,
fragt jeden: «Haben Sie zehn Mark verloren?»
«Behalt sie doch», knurrt die Kassiererin
mit der verknutschten Joggingvisage.
«Warum?» fragt der Junge.
Alles lacht.
Keiner kann ihm antworten.
Nicht einer.
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