Die Geburtsstunde des Künstlers

Gibt es etwas Schlimmeres
für einen einigermaßen sensiblen Jugendlichen
als sonntägliche Verwandtenbesuche
Kaffee und Kuchen
Gesellschaftsspiele
und das debile spießige Gelalle von Leuten
die sich nichts
absolut gar nichts zu sagen haben
und das aber stundenlang tun
nein
ich glaube Schlimmeres gibt es nicht
lange war ich brav
lange wollte ich mich nicht mit meinen Eltern streiten
und habe äußerlich klaglos an diesen Folterorgien teilgenommen
und ich halte es für eine der größten Leistungen meiner Teenagerjahre
mich deswegen nicht umgebracht zu haben
aus Ekel vor diesem stumpfsinnigen Pack
vor lauter Haß auf ihre miefigen reaktionären Sprüche
irgendwann konnten meine EItern nicht mehr mitansehen
wie sehr ich körperlich und seelisch unter diesen Veranstaltungen litt
und ich durfte alleine zuhause bleiben
Heinz allein zuhaus
ahhhhhhhhhhhhhhh
damit begann eine sehr wichtige Phase in meinem Leben
die Phase der Phantasie und der Selbstbefriedigung
was manchmal das Gleiche ist
wenn auch nicht Dasselbe
ich entdeckte die Sehnsucht in meinen Gedanken
und die Sehnsucht in meinem Körper
und begriff daß das irgendwie
nur zwei Seiten einer Medaille waren
und von diesem Augenblick an
wurden selbst Langeweile Traurigkeit und Einsamkeit
irgendwie schön
bekamen eine Bedeutung
die sie vorher als die Hormone noch in den Startlöchern dümpelten
nie gehabt hatten
das Leben hatte plötzlich Sinn und Richtung
das Abenteuer der Weltinnenraumfahrt hatte begonnen
das Anfassen des eigenen Geschlechtsteils
war nur ein kleiner Schritt für mich
aber mit dem Anfassen einer Mädchenbrust
(was tatsächlich nur eine recht absehbare Frage der Zeit war)
würde eine riesige Schrittfolge für die Menschheit in Gang kommen
na ja wenigstens ein bißchen
weil das meine Phantasie ungeheuer befruchten würde
und ich wähle dieses Verb mit Bedacht
insofern hatte selbst die Verwandtschaft
diese Verklumpung von Pestbeulen die man sich nicht aussuchen kann
in meinem Leben ihren Ort und ihre Bestimmung
meine Abnabelung von ihr
war die Geburtsstunde des Künstlers
danke euch danke für nichts ihr
wichtigen Mickerlinge