Cover des Buches "Heimatfront"

1997

As if

Als ob ich ein geniales Stück geschrieben hätte:
Biedermann oder die Brandstifter.
Und dann meldet sich einer und sagt,
daß ich damit nicht so ganz allein stehe,
nur daß der andere im Titel ein bisserl konsequenter war.
Und außerdem sei mein Name auch nicht gerade karrieredienlich:
Max Fisch.
Als ob ich bei jedem Fußballspiel im Fernsehen
IMMER IMMER IMMER dann auf die Toilette muß,
wenn die Tore fallen.
Bis ich mangels sinnlicher Anschauung einfach nicht mehr
glauben kann, daß überhaupt noch Tore geschossen werden.
Tore sind reine Ideologie, Opium fürs Volk,
der Fallrückzieher ins obere linke Eck
ist etwa so plausibel wie ein Campino,
der übers Wasser geht – ohne Gitarren als Surfbretter.
Als ob ich beim zwanzigsten vergeblichen Anruf
immer noch wirklich daran glaubte, dich zu erreichen.
Ich weiß doch, du hast Besseres zu tun,
als zu Hause zu sein, du bist weggezogen,
oder du weißt, wer da anruft,
oder du bist tot.
Als ob der Bindestrich zwischen meinen beiden Vornamen
tatsächlich die Vorgeschichten der Familien von Mutter und Vater
versöhnen und verknüpfen könnte. Zwei Helden,
zwei Täter, zwei Opfer, eine Milliarde Mißverständnisse,
reden wir offen darüber,
MEIN FREUND IST JOURNALIST.
Als ob die Plopp-Geräusche der unsichtbaren Tennisspieler
in Antonionis Blow-Up-Film
das genaueste EKG sein könnten, das je ein Arzt
von mir abbilden dürfte.
Ich, der gerne Engländer gewesen wäre und sportlich,
gefilmt von einem sinnlichen Italiener
als Pantomime mit Tarnkappe.
Das wäre das beste jemals mögliche Bild gewesen
von meinem Als-ob-Leben.

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