Osnabrück ist die alte Heimat von Heinz. Hier lebte er lange und kannte die Straßen wie seine Westentasche. Eine gute Idee, hier sein Projekt „Räuberzivil“ mit neu formierter Band zum Tourauftakt aufzubieten und die neue Platte Tiefenschärfe vorzustellen.
So finden sich auch am 5. März 2015 im Rosenhof zu Osnabrück ein paar hundert Verehrer von damals und heute ein. Der Rosenhof ist ein netter Club mit Charme und zeitgenössisch gemütlicher Attitüde. Auf einer großen Bühne findet man eine Vielzahl von Instrumenten, welche auf ein Konzert zwischen Unplugged, Rock, Seele und Rhythmus erinnern. Man verteilt sich erwartungsvoll vor der Bühnenlandschaft und gesellig gut gelaunt an Biertischen und auf Barhockern.
Die Räuberziviltruppe ist in dieser Besetzung noch neu und gehört an dieser Stelle vorgestellt, zumal die renommierten Musiker dem Ganzen eine neue musikalische Farbe mitgegeben haben.
Hilko Schomerus sitzt links vom Publikum aus gesehen an einer Schießbude, welche den Namen wirklich verdient. Eine Mischung aus Schlagzeug und Percussionwerkzeugen gehören zu seinem Reich, und er gibt damit den Rhythmus vor, diesen im Konzert immer wieder einzählend. Aus der Zusammenarbeit mit namhaften Künstlern, u.a. der NDR Bigband, Phil Collins oder Inga Rumpf hat er eine bewegte Musikervita anzubieten.
Am Bass begleitet der langhaarige, sympathisch gerade aufspielende Peter Pichl nach wie vor „Räuberzivil.“ Ein passionierter Hardrocker im Geiste, der auch mal gerne mit HRK im Tango harmoniert. „Es ist schwierig“ heißt das Stück. „Es ist gar nicht so einfach zu leben!“, erklingt es da. Aber da wird dann auch schon mal zur Abwechslung ein Bossa Nova angestimmt und aufgelegt.
An den Gitarren spielt Ralph König auf. Seines Zeichens jahrelanger begleitender Musiker bei Musicalproduktionen der Landesbühne Hannover, was Rückschlüsse auf die Nähe zu diversen, hier ansässigen HRK Projekten zulässt und welcher auch schon mit Leuten wie Ronan Keaton und Chris de Burgh zusammen gearbeitet hat.
Räuberzivil 2015 ist also eine schlagkräftige Truppe mit Können, musikalischem Eifer, welche sich schon allein vom Repertoire und mit dieser ungewöhnlichen Spielfreude nicht auf den Begriff „Kleinkunst“ reduzieren lässt.
Heinz Rudolf Kunze selbst sagt: „Die ganze Welt kommt in diesem Album vor.“ Die Tiefe und die Schärfe stecken in den Texten, HRK widmet sich gerade hier ausführlich Themen und Geschichten, wie sie kein anderer in diesem Geschäft betrachtet, weil er es künstlerisch nicht bewältigen könnte.
Wer käme auf die Idee, die grauenvollen letzten Opfer der Kriegstage von 1945 in der wahren Geschichte um den jugendlichen Widerstandskämpfer Robert Limpert aufzugreifen und als Country Ballade darzubieten, wo einem jeder aufgelockerte Ton beinahe erbeben lässt? Nur HRK. Für diese 6 Minuten plus sollte man dankbar sein in einer Zeit, wo jeder sozialkritische Gedanke in spätestens 3:30 musikalisch durchgearbeitet sein muss, um radiotauglich - nein, um Netz 2.0 tauglich zu sein.
In Lügner begreift sich HRK als Verehrer des Texaners Townes van Zandt, der nur ein Beispiel eines Amerikaners darstellt, der Heinz musikalisch beeindruckt hat.
Aber im Programm gibt es eben zur „ganzen Welt“ auch das schöne Liebeslied, eben eine Nummer wie So wie du bist!
In vielen Sprechtexten erinnert „Räuberzivil“ immer wieder an die fraglos alte HRK Zeit, welche aber durch wache Gedanken immer wieder das aktuelle Zeitgeschehen, vielleicht sogar den Zeitgeist, trefflich interpretieren, skizzieren, darstellen, vorführen und letztlich entzaubern.
Stellvertretend dafür der Text „Die Fremdenangst“
Also bei mir fängt die Fremdenangst
schon bei mir selber an
sobald ich in den Spiegel schaue
fürchte ich mich
wer ist das
was will der
was könnte der mir wegnehmen wollen
und wenn der im Spiegel dann auch noch zu reden anfängt
dann gruselt es mich
was hat denn der für Meinungen ...
und weiter heißt es.
... ich will ja nicht mal daß alle so wären wie ich
wenn ich mir schon selber fremd bin
dann wäre ich ja auch nur von Fremden umgeben
vielleicht gibt es nur eine einzige Lösung:
Ganz allein sein
ohne Spiegel
ohne Schreibtisch
ohne Meinung
Ruhe im Karton ...
In Osnabrück hört man zu, lauscht auf den Punkt, auf den diese Zeilen treffen. Aber es gibt auch zwischendurch die Möglichkeit nach Dein ist mein ganzes Herz und Meine eigenen Wege zu tanzen. Schließlich ist es ein Unterhaltungsabend, einer à la HRK und ein Tourauftakt nach Maß.
Matthias von Schramm & Annette Krüger, 8. März 2015
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