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Purple Schulz und Heinz Rudolf Kunze in Hannover
Sitzprobe mit reifen Herren: Purple Schulz und Heinz Rudolf Kunze treten im Theater am Aegi in Hannover auf
Wenn vier Männer einen Halbkreis bilden können, dann ist das hier wohl einer. Auf der Bühne des Theaters am Aegi sitzt ein Quartett reiferer Herren, zwei Männer mit Gitarren auf Stühlen, ein Mann auf einem Hocker am Klavier und ein Mann auf einer Holzkiste, die gleichzeitig auch sein Instrument ist. Gemütlich sieht’s aus, wie ein Probenraum im Wohnzimmer. Gepflegte Atmosphäre.
Zwei der vier haben ein Heimspiel. Der auf der Kiste und der Gitarrist mit der Brille. Das ist Heinz Rudolf Kunze, wegen ihm und seinem derzeitigen ständigen musikalischen Begleiter Wolfgang Stute sind wohl die meisten Zuschauer hier. Trotzdem ist das Aegi nicht voll, was wohl damit zusammenhängt, dass es dem arbeitswütigen Kunze nicht gelingt, sich angemessen rar zu machen. Im vorigen Jahr war er mit seiner Rockband in Hannover, kurz davor mit einer Lesung, kurz davor mit einem anderen Quartett. Da macht der eine oder andere Fan mal Pause.
Die, die gekommen sind, erleben einen gepflegten Abend mit musikalischen Erinnerungen, launigen Ansagen und allerlei Bonmots. Das hängt auch mit den anderen beiden Herren auf der Bühne zusammen: Purple Schulz und Jo Piek, ebenfalls lange als Duo unterwegs. Irgendwann, erzählt Schulz, hätte er Kunze zu einem Konzert eingeladen. Bedingung: keine Probe, nur Soundcheck, und dann los. Weil’s so schön war, hat sich daraus eine Dauereinrichtung mit dem Titel „Gemeinsame Sache“ entwickelt.
Und so kommt Purple Schulz, der den ersten Teil des Abends bestreitet, zu seinem ersten Hannover-Auftritt seit 1991. Wie Kunze erlebte auch er seine größten kommerziellen Erfolge in den achtziger Jahren, wie Kunze spielt auch er seinen größten Hit an diesem Abend nicht. Statt „Verliebte Jungs“ gibt es vier verspielte Jungs, die Songs wie „Nur mit Dir“, „Sehnsucht“ oder „Kleine Seen“ spielen und daran erinnern, dass Purple Schulz mit seinen melancholisch-nachdenklichen und bilderreichen Texten immer zu den besseren deutschen Liedschreibern gehörte. Er kann aber auch anders. Wo die beiden Niedersachsen im Quartett eher den trockenen Humor pflegen, geht mit Purple Schulz (der eigentlich Rüdiger Schulz heißt) schon mal der Komödiant durch, Parodien auf Xavier Naidoo und Grönemeyer eingeschlossen.
Heinz Rudolf Kunze parodiert nicht, er huldigt auf traditionelle Weise. Johnny Cash zum Beispiel mit dem Countryfolk-Song Es geht zu Ende mit dir oder den Kinks mit seiner alten Coverversion von Lola. Aber da aus dem „Niedermacher“ Kunze der Achtziger und frühen Neunziger längst der Liebesliedersänger geworden ist, bleiben Bissigkeiten an diesem Abend die Ausnahme. Neuere Titel wie Längere Tage und Einmal noch und immer wieder sind gesungene Nettigkeiten im moderaten mittleren Tempo, die keinem wehtun, für die man aber auch, sagen wir es mal so, keinen Heinz Rudolf Kunze braucht. Wie viel augenzwinkernden Witz hatte dagegen Kunzes flehentlicher Appell an Raymond Chandlers Meisterschnüffler Philip Marlowe, die abgehauene Mabel zu finden. Schwupps, und schon ist man wieder in den Achtzigern. In einer Zeit also, in der ja sowieso alles besser war. In nostalgischen Erinnerungen schwelgen die Zuschauer im Theater am Aegi gern. Als sich Wolfgang Stute zu Aller Herren Länder mit Kunze ein feuriges perkussives Duell liefert, gibt’s sogar Ovationen im Stehen.
Als Schulz dann am Ende eines vergnüglichen Abends von „Kleine Seen“ direkt in einen alten Schlager wechselt, unterbricht er diese kleine Albernheit für einen Satz voller vielsagender Selbstironie: „Und am Montag“, sagt der 53-Jährige, „steht wieder in der Zeitung: Richtig Stimmung kam erst am Schluss auf, als Purple Schulz, 64, seinen größten Hit ,Tränen lügen nicht‘ spielte.‘“ Wo er recht hat, hat er recht.
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