Grand Prix Warum denn nicht?
Morgen tritt Heinz Rudolf Kunze beim Grand-Prix-Vorentscheid an. Mit den LN sprach er über den Wettbewerb, Castings und seine Musik.
Lübecker Nachrichten: Wie kam es zu Ihrer Teilnahme am Grand-Prix-Vorentscheid?
Heinz Rudolf Kunze: Die Plattenfirma hat sich wohl für alle ihre Klienten beworben. Warum ich dann von der Fernsehproduktionsfirma ausgesucht wurde, weiß ich nicht.
LN: Aber Sie werden doch wohl mit entschieden haben.
Kunze: Klar, man wird nicht zwangsverpflichtet. Man hat mich gefragt, ob ich mitmachen würde oder ob man mich gar nicht erst bei der Bewerbung bedenken soll. Da habe ich gesagt, warum denn nicht?
LN: Vielleicht aus Angst, Ihrem Ruf zu schaden, falls es schief geht. Es haben schon oft Künstler deshalb abgesagt.
Kunze: Ich kann verstehen, dass viele bei dem früheren Konzept nicht mitmachen wollten. Da wurden zehn oder mehr Teilnehmer wie auf dem Viehmarkt durchgeschleust und da wollte keiner gern Neunter oder Zehnter werden. Aber jetzt gibt es nur noch drei Teilnehmer und die werden aufmerksam und ausführlich dargestellt. Da kann man gar nicht verlieren . . .
LN: . . . weil man Millionen Menschen sein neues Album vorstellen kann.
Kunze: Natürlich ist das auch eine Werbeplattform, aber wenn man sich bewirbt, will man auch gewinnen. Ich habe kein Problem, die deutschen Farben in Helsinki zu vertreten und glaube, dass mein Lied Die Welt ist Pop auch gut passt. Es ist eine Rock-Nummer, die versucht, die momentane Stimmungslage in Deutschland zu beschreiben.
LN: Wie sehen Sie Ihre Chancen?
Kunze: Ich habe wochenlang in Interviews erzählt, dass ich Außenseiter bin. Aber je näher der Auftritt kommt, desto mehr habe ich das Gefühl, dass das Rennen offen ist.
LN: Sind Sie Grand-Prix- Fan?
Kunze: Ich habe in meiner Studentenzeit zu denen gehört, die sich mit einem Kasten Bier mit anderen zusammengesetzt und darüber abgelästert haben. Vor zwei Jahren war ich dann selber im Saal und hatte die Patenschaft für eine Band.
LN: Wie hat sich der Wettbewerb verändert?
Kunze: Man sieht es auf deutscher Ebene, dass durch die Spaßguerilla wie Guildo Horn eine neue Farbe reingekommen ist. Auch international ist das so. Man muss sich nur die Chaotentruppe angucken, die letztes Jahr international gewonnen hat. Der Wettbewerb ist toleranter geworden und keine geschlossene ernsthafte Schlagerwelt mehr.
LN: Die Chaotentruppe hieß Lordi, mögen Sie deren Lied?
Kunze: Ich glaube, das ist eine große Verarsche und die Truppe nimmt sich selber am wenigsten ernst.
LN: Ihre Konkurrenz, Monrose, ist ein Produkt der Casting-Kultur. Was halten Sie von Casting-Shows?
Kunze: Ich denke, das Wort Casting-Kultur sollten wir streichen. Ich wundere mich, dass es so viele Eltern in Deutschland gibt, die ihre Kinder dort hingehen lassen.
LN: Und wie ist es mit der Musik, die dabei rauskommt - mögen Sie Monrose?
Kunze: Ich kann vollen Herzens sagen, dass ich nur ein Lied kenne. Daher kann ich mir ein Urteil ersparen.
LN: Wie steht es mit Roger Cicero, Ihrem anderen Mitbewerber?
Kunze: Da kenne ich mehrere Stücke. Der ist ein richtiges Phänomen, der Typ räumt im Moment nicht schlecht ab und er kann ja auch was.
LN: Sie haben auch Alben gehabt, die kommerziell nicht so erfolgreich waren, aber von den Kritikern hochgelobt wurden, auch wegen der Texte.
Kunze: Ich habe im Lauf der Jahre vier Millionen Alben verkauft. Das ist also nicht kommerziell erfolglos gewesen, was ich gemacht habe, das müssen Monrose und Cicero erst mal schaffen. Ich bin nur sehr lange dabei und dann kommen natürlich auch Alben heraus, die nicht so erfolgreich sind, obwohl sie vielleicht sogar besser sind als die Erfolgreichen.
LN: Wo wir gerade über Anspruch reden, kann Rockmusik noch die Welt verändern?
Kunze: Um Gottes Willen, ich hasse Predigten in Musikform.
LN: Sie sind doch selber Prediger. Bei Ihrer Tour 2003 haben Sie zwei Strophen von Aller Herren Länder den politischen Ereignissen angepasst und die USA für den Irak-Krieg kritisiert.
Kunze: Ja, aber Predigt heißt für mich, dass man von der Kanzel runter seinen Fans sagt, was sie tun sollen. So etwas mache ich nicht. Ich habe in dem Lied nur meinen Zorn über etwas artikuliert. Aber ich weiß natürlich, dass solche Aussagen auch eine Wirkung auf das Publikum haben. Deshalb gehe ich damit auch vorsichtig um.
LN: Wie entsteht ein Lied bei Ihnen, beginnt es mit der Idee?
Kunze: Nein, ich habe keine Ideen, die Ideen haben mich. Mir fallen einfach Einfälle zu und die verwirkliche ich.
LN: Sie haben sich früher für eine Radio-Quote für deutsche Musik eingesetzt.
Kunze: Halt, nicht ich, sondern bis zu 100 Kollegen, die mich als Klassensprecher nach vorn geschubst haben, um den Unsinn zu verkünden.
LN: Warum denn jetzt Unsinn, Sie wollten doch mehr deutsche Musik?
Kunze: Ja, aber im Nachhinein war es völliger Quatsch, eine Quote zu fordern. Wir sind nicht Frankreich, wir sind kein zentralistischer Staat, sondern föderalistisch. Keine Partei würde sich eine Quote auf die Fahnen schreiben. Daher war es Unsinn, sich für etwas blutige Nasen zu holen, das nicht realistisch war.
LN: Gut, aber obwohl keine Quote existiert, gibt es in den vergangenen Jahren immer mehr neue deutsche Musik.
Kunze: Ja, und damit ist allmählich eine Normalität eingetreten. Man muss sich nicht mehr dafür rechtfertigen, wenn man in der eigenen Sprache Rockmusik macht. Ich habe es immer wichtig gefunden, dass die deutschsprachige Rockmusik eine faire Chance bekommt gegenüber der angloamerikanischen. Mehr wollte ich gar nicht.nd Reggae vorhanden und ich versuche auch nicht nur klassische alte Rockmusik zu hören, sondern auch neue Bands um auf dem Laufenden zu bleiben. Also, ich habe wirklich einen sehr weit gefächerten Geschmack.
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