Heinz Rudolf Kunze (Foto: DPA)

2007

Was soll ich anderes machen?

Liedermacher Heinz Rudolf Kunze über den Grand-Prix-Vorentscheid

Heinz Rudolf Kunze verfasst seit den Siebzigern kluge, sarkastische Texte und bettet sie in gefälligen Deutschrock. Der 50-Jährige hat wohl keine Chance, wenn er beim Grand Prix-Vorentscheid am 8. März (die ARD überträgt live) mit seinem Lied Die Welt ist Pop gegen Roger Cicero und Monrose antritt. Ist ihm auch nicht wichtig. Er will die Chance nutzen, sich zu präsentieren.

Im Jahr 1982, als Nicole mit dem Lied „Ein bisschen Frieden” den Eurovision Song Contest gewann, galten Sie als „junger Wilder”, als „Niedermacher” unter den Liedermachern. Hätten Sie damals bei so einer Veranstaltung mitgemacht?

Heinz Rudolf Kunze: Nein. Sicher nicht. Und abgesehen davon, dass ich Nicole ziemlich gut kenne und sehr schätze, hätte ich bis Guildo Horn niemals mitgemacht. Es wurde mir sogar schon dreimal angeboten. Aber seit Guildos legendärem Auftritt hat sich das Gesicht der Veranstaltung doch sehr gewandelt.

Warum hätten Sie davor nicht teilgenommen?

Kunze: Weil das vorher eine geschlossene Gesellschaft war, die mit der Wirklichkeit der Musik nichts zu tun hatte.

Was ist die Wirklichkeit der Musik?

Kunze: Das, was die Menschen wirklich hören. Das, was die Popmusik wirklich voranbringt. Ich denke, ein sehr deutliches Zeichen dafür ist ja, dass kaum ein Interpret, der damals gewonnen hat, außerhalb des Wettbewerbs irgendwelche Spuren hinterlassen hat. Wenn man von Abba absieht.

Nicoles Lied „Ein bisschen Frieden” hatte eine sehr klare Botschaft. Ihr Song Die Welt ist Pop hat nur vordergründig eine klare Botschaft, oder?

Kunze: Es ist ein Versuch, die deutsche Jubelstimmung des letzten Sommers ein bisschen einzufangen -­ vielleicht auch zu karikieren. Wenn jemand wie ich eine Überschrift wählt wie Die Welt ist Pop, kann man sich sicher denken, dass es mit einem Augenzwinkern passiert. Denn die Welt ist natürlich alles andere als das.

Sie trugen bei der Bekanntgabe der Grand-Prix-Bewerber ein Konterfei Franz Kafkas auf dem T-Shirt. Ihr ganzes Schaffen steht im Spannungsfeld von Pop und Literatur. Was haben Sie von dem einen, was vom anderen?

Kunze: Von der Rockmusik habe ich ein Lebensgefül kennengelernt, das mich gepackt hat und mit dem ich zumindest spiele. Rockmusik ist eben eine besondere Art, zum Beispiel Literatur zu transportieren. Eine Art, die mich fasziniert. Ich glaube, ein Heinrich Heine mit seinen besten Liedern hätte sich gefreut, wenn er die Möglichkeiten eines Lou Reed gehabt hätte, diese Lieder elektrisch unter die Leute zu bringen.

Ist heutige Popmusik zu wenig intellektuell?

Kunze: Intellektuell ist so ein furchtbar verfängliches, missverständliches Wort in Deutschland. Wenn wir beide uns in den USA oder in England unterhalten würden, könnten wir das völlig arglos gebrauchen. In Deutschland gibt es eine so pöbelhafte Abneigung gegen alles Kluge. Deswegen sagen wir mal lieber: Die Musik ist nicht intellektuell genug, sie ist einfach häufig nicht eigensinnig, nicht unverwechselbar genug.

Wie bewerten Sie denn da Ihre Mitbewerber? Roger Cicero kopiert Dean Martin, und Monrose so ziemlich alle Girlgroups. Gefällt Ihnen das?

Kunze: Was Cicero macht, kenne ich erst seit wenigen Wochen. Ich habe selber mit Swing nichts zu tun, aber er macht das sehr ordentlich. Zu Monrose kann ich nichts sagen, weil ich noch nie was von denen gehört habe.

Interessiert Sie das im Grunde?

Kunze: Nein, nicht wirklich. Aber ich bin ja auch nicht der Adressat dieser Musik. Die wendet sich an Kinder. Es gibt viele junge Popgruppen, die ich akzeptiere. Aber ich fühle mich von denen nicht gemeint.

Fühlen Sie sich dann nicht wie ein Fremdkörper bei der Veranstaltung?

Kunze: Seien wir doch ehrlich: Es gibt so wenige Möglichkeiten für unsereinen, sich zu präsentieren, dass man alles, was auch nur halbwegs erträglich ist, mitmachen muss. Künstler wie ich werden im Radio nicht mehr gespielt ­ mit dem Argument, sie seien zu alt. Wir werden von MTV und Viva boykottiert. Also, was soll ich anderes machen? Ehe ich bei Florian Silbereisen lande, gehe ich zum Grand Prix, weil da wenigstens ein Augenzwinkern möglich ist und ich mit Thomas Herrmanns einen Moderator an meiner Seite habe, der das Ganze genauso wenig ernst nimmt wie ich.

Was tun Sie, wenn Sie Dritter werden?

Kunze: Sollte ich tatsächlich Dritter werden, dann wie Jürgen Klinsmann -­ in Würde.

Das Gespräch führte Johannes Löhr.

Johannes Löh, Merkur Online, 01. Februar 2007

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