Heinz Rudolf Kunze (Foto: DPA)

2007

„Einer muss meine Texte ja singen“

Gerade präsentierte Heinz Rudolf Kunze sich als Kandidat für den Grand Prix-Vorentscheid, seit gestern gibt es sein neues Album. Christoph Forsthoff traf den Deutschrock-Veteranen.

Rundschau: Tobias Künzel, der Frontmann der Prinzen, bezeichnet Sie als Popstar, Poet, Sänger, Musiker, Mensch, Intellektueller und Künstler – sehen Sie sich auch in dieser Vielfalt.

HRK: Ich muss mich ja nicht sehen – Ihr müsst mich sehen.

Rundschau: Deshalb interessiert mich ja, wie Sie sich sehen.

HRK: Sicher ist das richtig, was er aufzählt – wobei Popstar wohl am wenigsten zutrifft. Denn meine Werke sind mir wichtiger als meine Person: Zwar singe ich die selber, doch nicht, um mich zu präsentieren, sondern weil einer diese Lieder und Texte vortragen muss.

Rundschau: Was ja ein gewisses Sendungsbewusstsein ausdrückt.

HRK: Ich hätte mir auch ein Leben wie Bernie Taupin, der Texter von Elton John, vorstellen können, hinter den Kulissen – aber es wollte halt keiner singen, was ich machte, und so musste ich selber auf die Bühne.

Rundschau: Dieser Mitteilungsdrang passt ja zum Klischee des Oberlehrers, das Ihnen anhängt ...

HRK: Mein Publikum sieht mich nicht so. Von allen Deutschrock-Machern schwenke ich die wenigsten Botschaften – ich lasse die Leute immer mit offenen Schlüssen allein.

Rundschau: Auf jeden Fall haben Sie doch den Anspruch, die Menschen zum Nachdenken anzuregen.

HRK: Nö – ich habe den Anspruch, die Leute gut zu unterhalten. Und wenn dazu gehört, dass die Leute über etwas nachdenken möchten, ist mir das recht – aber Absicht ist das nicht.

Rundschau: Sie haben immer künstlerische Vielfalt geschätzt. Hatten Sie nie Angst, sich zu verzetteln?

HRK: Ich kann nicht anders! Mir fallen zu verschiedene Sachen ein. Es hat keinen Sinn, das mit der Heckenschere zu begradigen – und warum sollte ich mich da auch beschneiden? Das macht mich nicht glaubwürdiger. Auch wenn es geschäftlich unklug ist: Ein Künstler, der nur einen Stiefel macht, ist leichter zu vermarkten als jedes Waschmittel.

Rundschau: Sie hatten das Hit-Rezept ja schon mal in der Hand, als Sie Dein ist mein ganzes Herz geschrieben haben ...

HRK: ... nein, das Rezept hatten wir nie – nur Glück.

Rundschau: Mehrere Songs auf Ihrem neuen Album lassen an einen Rückblick denken – ist für Sie mit dem 50. Geburtstag Zeit für eine Zwischenbilanz?

HRK: Auch wenn ich nicht weiß, was die moderne Medizin noch zustande bringen wird, so ist doch davon auszugehen, dass ich den größeren Teil meines Lebens gelebt habe – und dazu muss ich mich doch irgendwie verhalten. Als Endbilanz sehe ich es indes nicht: Ich habe noch viel vor.

Christoph Forsthoff, Kölnische Rundschau, 26. Januar 2007

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