Heinz Rudolf Kunze

Kassenbrille, schwarzes Hemd: Ein Vierteljahrhundert nach seinem Debüt feiert Heinz Rudolf Kunze 50. Geburtstag. Nur der Schnurrbart ist ab.

2006

Jubiläum: Geburtstagskind fordert klare Verhältnisse

Der Rockpoet Heinz Rudolf Kunze wird 50 Jahre alt

Der Mann, der als einer der klügsten Köpfe im deutschen Rockgeschäft gilt, ist alles andere als perfekt. Heinz Rudolf Kunze weiß zum Beispiel nicht, auf welcher Seite am Auto seiner Frau denn nun der Tankstutzen sitzt. Er hatte keine Ahnung, dass der Fes, den er vor einiger Zeit auf dem Kopf zu tragen pflegte, recht blöd aussah. Und warum Berufskollegen mit viel weniger Fleiß, viel weniger Wortwitz und ungleich uncharmanteren Melodien ganze Stadien füllen, während er stets auf die Hallen beschränkt blieb, darf man ihn schon gar nicht fragen.

Heinz Rudolf Kunze ist nach einem Vierteljahrhundert einer auch ihn selbst verblüffenden Karriere ein zufriedener Mann. Aus dem "blutigen Laien und Anfänger", als der er sich selbst noch auf dem 1992er Album Draufgänger beschrieb, ist ein Künstler geworden, dessen Werk einzigartig in deutschen Pop-Landen steht: 25 Alben, ein Dutzend Bücher, zwei Musicals, ungezählte Konzerte, drei Live-Alben und vier literarische Programme.

Dabei hat der Lehrersohn aus Osnabrück es sich und dem Publikum nie leicht gemacht. Kunze, studierter Germanist und schon mit 14 sicher, zum "Wortemacher" (Kunze) berufen zu sein, wirbelt mit Versen und Begriffen, dass selbst Kunze-Kundigen die Sprache wegbleibt. "Gegen die Meuten der Gedemütigtwerdenwoller", dichtet er dann unterm Sternzeichen Sündenbock und schickt "Stehgreifvögel gegen den Pöbel / Schaumschlagfertige gegen den Abschaum".

Das taugt in Ausnahmefällen für die Hitparade, wie bei seinen großen Hits Dein ist mein ganzes Herz oder Mabel. Macht ihn aber dem ganz großen Pop-Publikum eher verdächtig. Ein intellektueller Versschmied? Mit Gitarre? Mit Brille? Der rockt wie The Who? Und viel besser singt als Grönemeyer und Westernhagen zusammen?

Pop-Deutschland hat Kunze beklatscht und gefeiert. Geliebt hat es ihn nie, den kantigen Kafka-Fan, dessen widerhakenstarrende Parolen fast eine ganze Karriere lang von Freund und Gitarrist Heiner Lürig in zuverlässige Kuschelmelodien verpackt wurden.

Trotzdem, Kunze, neuerdings zurückgekehrt zur Kassenbrille der frühen Jahre, wird wohl kein Typ zum Kuscheln mehr. Wo die Kollegen der Mehrheit nach dem Munde singen, reklamiert er wortgewaltig das Recht, für sich selbst sprechen zu dürfen, zuweilen ätzend scharf, zuweilen zu Tränen rührend. Klare Verhältnisse hat Heinz Rudolf Kunze sein neues Album genannt, das Ende Januar erscheinen wird. Passt, ganz genau.

Steffen Könau, Mitteldeutsche Zeitung, 29. November 2006

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