Heinz Rudolf Kunze

2006

Wir verwalten das Ende der Rockmusik...

Heinz Rudolf Kunze ist zweifellos einer der besten deutschen Rockpoeten. Seine Karriere begann 1980, als der junge Germanist die Bühne des Würzburger Pop-Nachwuchs-Festivals betrat. Mit einer Gitarre auf einem Barhocker sitzend und vom Piano begleitet, spielte er um die Gunst der Jury. Und das mit großem Erfolg! Neben den Veröffentlichungen von in Deutschland längst etablierten Musikern, wie z.B. Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer oder Marius Müller Westernhagen, werden plötzlich auch seine Alben ganz vorne im Regal einsortiert. Anfangs wurde der Dylan-Fan wegen seiner nicht selten kritischen Texte von der eigenen Plattenfirma noch als "Der Niedermacher" bezeichnet. Doch diese Bezeichnung wird ihm nicht gerecht. Er ist ein Rockpoet - ein Musiker, der die hohe Kunst beherrscht, mit Worten umzugehen. Seine Songs leben, haben Inhalt und Aussagekraft. Der richtig große Durchbruch gelang 1985 mit dem Album Dein ist mein ganzes Herz. Die gleichnamige Single wurde zu einem der größten Hits des Jahres.

Neben seinen musikalischen Aktivitäten ist er auch als Buchautor und Musical-Übersetzer bekannt. Bereits 1978 wurde Kunze mit dem Literatur-Förderpreis seiner Heimatstadt Osnabrück ausgezeichnet. Im Laufe der Zeit sind fünf Bücher mit eigens verfaßten Prosatexten und Gedichten erschienen.Jetzt feiert Heinz Rudolf Kunze sein 25-jähriges Jubiläum als Musiker. Ein Viertel-Jahrhundert in dem er 25 Alben, diverse Sampler und 40 Singles veröffentlicht hat. Viele Gründe, um mit ihm einmal ausführlich über seine Karriere zu plaudern. Am 02. März 2006 sprachen wir mit Heinz Rudolf Kunze.

Hallo, Heinz Rudolf. Schön, dass du einen Augenblick Zeit hast und uns Rede und Antwort stehen möchtest. Wie geht es dir?

Danke, den Umständen entsprechend.

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit gab es ein Jubiläum: 25 Jahre Heinz Rudolf Kunze. Darf man noch gratulieren?

Ja sicher! Das Jubiläum bezieht sich doch auf die Jahreszahl und nicht auf einen einzelnen Tag. Das ist ein Vorgang, der noch nicht abgeschlossen ist. Auch wenn es in diesem Jahr weniger musikalische Aktivitäten gibt, sondern mehr literarische. Ich mache gerade eine Lese-Tour, deren Termine über dieses Jahr verteilt sind, und ich bin im Studio mit der Band. Wir bereiten dort ein neues Album vor.

Es gab ein Jubiläums-Konzert, das im vergangenen Herbst auch auf DVD erschien. Hast du diesen Höhepunkt auch noch anders gefeiert?

Es waren bei dem Konzert ja schon viele Gäste dabei. Das haben wir nach dem Auftritt hinter der Bühne noch weiter gefeiert. Es gab aber keine andere größere Party. Im Grunde war das auch ein bisschen geschummelt, denn wir mussten das Jubiläums-Konzert aus fernsehtechnischen Gründen schon im Dezember 2004 aufnehmen, damit es 2005 erscheinen konnte. Sonst hätte es das Team vom Rockpalast, das das Konzert aufgezeichnet hat, zeitlich nicht geschafft.

Du hast die Plattenfirma gewechselt - und das nach erst 25 Jahren. So lange ist heute nur noch selten ein Musiker bei einem Label unter Vertrag. Welche Gründe hatte die Trennung?

Die WEA hat sich in den letzten Jahren völlig umstrukturiert und auch den Besitzer gewechselt. Da hatte man dann doch irgendwie das Gefühl, dass man in die Strategie nicht mehr reinpasste. Ich hätte das Album Das Original eigentlich noch bei der WEA machen müssen. Wir haben den Vertrag aber dann aufgelöst, und ich habe mir ein anderes Label gesucht, wo ich besser hingehöre. Mit der BMG habe ich, im Vergleich zur WEA, immerhin ein größeres Label gefunden, bei dem ich nun bin.

Du hast es schon angesprochen: Ein Album mit dem Titel Das Original ist im letzten Jahr veröffentlicht worden. Der Titel hält, was er verspricht. Ein richtiges Kunze Album. Deine Fans lieben es. Welche Stärken und welche Schwächen siehst du in diesem Werk?

Tut mir leid, ich kann darin keine Schwächen sehen. Das ist sehr typisch und ich fand, es war sehr an der Zeit, dieses Album zu machen. Nach den beiden Vorgängern war mal wieder ein typisches Kunze-Album dran.

Schrauben wir die Zeit mal zurück zu den Anfängen: 1980 bist du bei einem Nachwuchsfestival aufgetreten. Danach ging alles sehr schnell. Beschreib uns mal kurz, wie das damals alles mit deiner Karriere begann.

Das Stichwort ist "kurz", ja? Wenn ich das lang machen sollte, würde das alleine ein Buch füllen. Entdeckt hat mich die ganze Branche damals auf einmal. Sie waren damals alle da. Als ich an dem Abend von der Bühne ging, hatte ich sechs Angebote für einen Plattenvertrag und konnte mir einen aussuchen. Das war eine sehr ungewöhnliche Situation, die es nie wieder in Deutschland gegeben hat. Es war der Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle und die Plattenfirmen haben alles eingekauft damals. Die waren total drauf fixiert, alles unter Vertrag zu nehmen, was deutsch sang. Ich passte ja auch nur teilweise unter den Begriff NDW, aber das hat sie nicht weiter gestört.

Trotzdem du 1980 begonnen hast, professionell Musik zu machen, gelang dir der Durchbruch erst viel später. Zeit, die Musikern heute kaum noch eingeräumt wird. Bei dir hat sich das in dich gesetzte Vertrauen ausgezahlt. Stimmt es, dass dir der Fünf-Jahres-Vertrag, den du am Anfang deiner Karriere unterschrieben hast, die nötige Zeit zur Entwicklung eingeräumt hat?

Ja, absolut! Das kann ich ganz kurz und knapp beantworten. Das ist sicherlich eine Chance, von der junge Leute heute nur träumen können.

Hast du bei der Arbeit an dem Album Dein ist mein ganzes Herz gewusst, dass diese LP ein Erfolg werden würde? Oder geahnt?

Es hat wenig Sinn, mit Worten wie "wissen" oder "ahnen" zu spielen. Planbar ist dieses Gewerbe nie. Sicherlich sprachen einige Indizien dafür. Wenn der berühmte Conny Plank und diverse Leute bei der Plattenfirma ein gutes Gefühl haben, ist das eine gute Vorraussetzung, aber keine Garantie. Wenn man merkt, dass die Sekretärin der WEA den Song Dein ist mein ganzes Herz auf dem Flur schon summt, bevor die Platte erschienen ist, dann denkst du: "Das könnte was werden".

Mit Erfolgen wie Dein ist mein ganzes Herz oder Finden Sie Mabel verbinden dich die Leute nach wie vor. Stört es dich, dass man immer von Songs spricht, die 20 Jahre alt sind, und nicht von jüngerem Material, wenn dein Name fällt?

Nein, es stört mich nicht. Aber es ist natürlich schade, wenn man soviele Sachen veröffentlicht hat und dann nur auf die paar wenigen reduziert wird. Aber so hat man wenigstens eine "Hausnummer" bei den Leuten. Das schlimmste wäre, wenn man gar keine hätte.

Wo liegt für dich persönlich der Unterschied zwischen den 80ern und heute, was die musikalische Entwicklung betrifft? Warum findet man in den aktuellen Charts so wenig Qualität, wo früher Woche für Woche so viele tolle Songs erschienen sind?

Ich glaube, die Rockmusik ist in ihrem Endstadium angekommen. Es ist schon so viel Gutes in den 50ern, 60ern, 70ern, 80ern und 90ern gemacht worden. Wir verwalten allmählich das Ende der Rockmusik. Sie ist ausgereizt, denn man kann mit einer Gitarre, einem Bass, einem Schlagzeug und einem Keyboard nur so und soviel machen, und nicht unbegrenzt arbeiten. Es kann keine harte Band geben, die besser ist als Led Zeppelin oder Black Sabbath. Es liegt schon soviel Qualität vor.

Du machst sehr anspruchsvolle Texte und komponierst schöne Melodien dazu. Deine Songs vermitteln immer eine Botschaft. Würde ein Heinz Rudolf Kunze heute noch in die Musik-Charts passen?

Ich kann seit 15 Jahren Chart-Material nicht mehr ertragen. Ich finde, das ist Gehirnkrebs. Dass ein solch eleganter Entertainer wie Robbie Williams von vielen Leuten ernst genommen wird, sagt alles über die heutige Musikszene aus. Er ist doch nichts weiter als ein eleganter Pausenclown.

25 Jahre auf der Bühne, zahlreiche Alben und Singles veröffentlicht, Bücher geschrieben, und vieles mehr... Was hast du vor deiner Zeit als professioneller Musiker gemacht?

Ich habe Abitur gemacht und studiert: Lehramt für Gymnasien. Das habe ich auch abgeschlossen, den Beruf aber nie ausgeübt. Das nochmal deutlich für die ganzen Idioten, die mich immer "Ex-Lehrer" nennen: Ja, ich hab den Beruf gelernt, ihn aber nie ausgeübt!

Was kaum jemand weiß ist, dass du viele Musicals ins Deutsche übersetzt hast. Welche Musical-Übersetzungen stammen denn aus deiner Feder?

Ich habe die Übersetzungen für Les Miserables, Miss Saigon, Joseph und RENT gemacht, außerdem eine freie Bearbeitung für Shakespeare's Sommernachtstraum, sowie ein eigenes Musical mit dem Titel Poe – Pech und Schwefel geschrieben.

Für die Serie Little Amadeus, die auf KiKa läuft, hast du den Titelsong getextet, und du singst ihn auch. Wird das jetzt das nächste Projekt von dir, Musik für Kinder zu machen, oder ist es eine einmalige Sache?

Den Song habe ich mitgetextet. Ich bin also Co-Texter. Das war nur eine einmalige Sache.

Was wird in Zukunft von dir zu erwarten sein? Die 25 wird doch hoffentlich nicht das letzte Jubiläum sein, das du feiern wirst, oder?

Es wird ein neues Album geben. Es erscheint nächstes Jahr, und die Arbeiten daran haben bereits angefangen. Außerdem wird es den zweiten "Shakespeare" für die Herrenhäuser Festspiele, die jedes Jahr in Hannover stattfinden, geben.

Ich danke dir für die Zeit, die du dir genommen hast, um dieses Interview hier möglich zu machen. Möchtest du noch selbst ein paar Worte an unsere Leser richten?

Ich möchte den Leuten meine Homepage empfehlen (werkzeug.heinzrudolfkunze.de, Anm. d. Red.). Sie können sich dort meine Veröffentlichungen anzugucken und meine Empfehlungen lesen. Ich gebe dort immer häppchenweise Einblick in meine doch inzwischen recht umfangreiche, private Plattensammlung. Ich schreibe Kritiken dazu - manchmal auch recht deutliche. Ich kann das den Leuten wirklich nur ans Herz legen.

Christian Reder, Music Pleasuredome, 2. März 2006

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