Rock Me, Amadeus
Mozarts melodische und tonale Sprache ist bis heute die Grundlage der Popmusik / Von Heinz Rudolf Kunze
Es gab einmal ein Lied der Punkband Fehlfarben auf ihrer "Platte des Himmlischen Friedens". Ein Liebeslied auf die verflossene Freundin, und Thomas Schwebel sang: "Ich fand dich immer ganz toll, obwohl du immer Mozart gehört hast, was ich ganz entsetzlich fand." Das wäre in der Jugend auch meine Einstellung gewesen.
Zu Mozart pflegt meine Generation die für sie übliche Beziehung. Nämlich eine im früheren Erwachsenenalter skeptische. Geholfen hat, wie bei vielen anderen Phänomenen, ein Buch, die Mozart-Biographie von Wolfgang Hildesheimer. Ich wurde auf ihn gestoßen und darauf, daß das jugendliche Vorurteil, Mozart sei doch sehr süßlich, akustische Zuckerbäckerei, vielleicht doch so nicht stimmt.
Ich habe mich Mozart langsam angenähert, was mir bei anderen klassischen Komponisten wesentlich leichter fiel. Inzwischen kann ich gut mit ihm leben. Er hat ja doch eine melodische und tonale Sprache entwickelt, die heute noch die Grundlage der Popmusik darstellt.
Es sind zwei Dinge. Die Musik und eine extreme Biographie. Der Begriff Wunderkind wurde ja fast sein Patent: Daß ein Mensch so früh ins öffentliche Rampenlicht gezerrt wird und darin verglüht, ist natürlich interessant. Und musikalisch zeigt sich Mozart durchaus mehrdimensional. Unter oberflächlicher Heiterkeit, Gelassenheit und Harmonie tun sich Abgründe auf, wenn auch nicht so deutlich wie bei den späten Streichquartetten Beethovens.
Wer sich tiefer in sein Werk begibt, betritt schon andere Ebenen und verharrt nicht nur in heiter gelöstem Lächeln. Die Popmusik, die mich Zeit meines Lebens interessiert hat, hat sich immer auch für Abgründe interessiert. Wobei ich, ehrlich gesagt, nie warm geworden bin mit klassischem Gesang. Solange es bei Mozart instrumental bleibt, gefällt er mir wesentlich besser. Ich mag lieber die Kammermusik für Bläser.
Es könnte natürlich durchaus sein, daß Mozart heute irgendwo in Beverly Hills säße und nur für die Größten des Gewerbes Stücke schriebe. Aber ich weiß nicht, ob es so einfach ist. Das Mozartbild der Popkultur, geprägt durch Falcos "Amadeus"-Musical, ist nicht die einzige Variante. Schwierig und müßig zu spekulieren, was er heute täte. Wahrscheinlich hätte er sich mit Grausen von 90 Prozent der Popmusik abgewandt, und wenn er sie mitgemacht hätte, dann mindestens so gut wie Elton John.
Der Rockmusiker Heinz Rudolf Kunze, 49, singt zum Mozart-Jahr den Titelsong der Trickfilmserie Little Amadeus im Kinderkanal von ARD und ZDF.
|