Heinz Rudolf Kunze

2005

Grandios, aber nur mäßig besucht: "Wellenbrecher" in der Halle400

Der langsam abflauende mediale Rückenwind, die etwas unglückliche Terminierung an einem Werktag oder doch die Eintrittskarten-Preise, besser: Spenden (18 bis 20 Euro) – was schuld sein könnte am mit rund 200 Gästen leider nur mäßig besuchten Tsunami-Benefizkonzert "Wellenbrecher" in der Halle400, bleibt Spekulation.

Statt also nach Gründen zu suchen, warum der von Tin Lizzy-Sängerin Lisa Ohm ins Leben gerufenen Veranstaltung die ganz große Publikumsgunst und somit der entsprechende Spendenbetrag versagt geblieben ist, soll hier das Unbestreitbare im Vordergrund stehen: Alle erlebten eine menschliche wie musikalische Sternstunde. Unterstützt von vielen mittelständischen Sponsoren, die vom Catering bis zur Security, von der Technik über Hotelzimmer bis zum Plakatdruck für beste Rahmenbedingungen sorgten, entwickelte sich zwischen bravourös aufspielenden Künstlern und begeistert mitgehenden Zuhörern eine wundersame Chemie, die Soulsänger Rolf Stahlhofen später mit den Worten "Es geht nicht um die Quantität der Leute, sondern um die Qualität" auf den Punkt bringen sollte.

Anmoderiert von einem zwar großen, auch dicken, aber keinesfalls peinlichen Tetje Mierendorf ("Mein großer, dicker, peinlicher Verlobter") eröffneten Tin Lizzy das Konzert standesgemäß mit knackig arrangierten Rock-Klassikern von Let's Have A Party bis The Joker. Obwohl der Funke da schon längst übergesprungen war, konnte der schottische Singer/Songwriter Ian Cussick als nächster Act den Applaus-Pegel mit seiner einzigartigen Mischung aus Funk, Bluesrock und betörenden Balladen noch weiter nach oben treiben.

Und streikte mal die Technik, gab's ja immer noch Tetje Mierendorf. Der legte vor dem verzögerten Auftritt von TempEau (Marek Harloff, Jan Plewka und Stephan Eggert) mit In The Ghetto kurzerhand eine lecker-lockere Elvis-Imitation aufs Parkett. Danach überraschten TempEau mit prickelndem Deutsch-Rock. Auch Heinz Rudolf Kunze, einer der ganz großen Namen auf der Interpretenliste, konnte den Erwartungen seiner Fans in jeder Beziehung gerecht werden. In exzellenter Akustik-Besetzung (zwei Gitarren plus Conga) spielte er zunächst Immer für dich da vom kommenden Album, um dann die Halle mit seinen Hits von Aller Herren Länder über Lola bis Meine eigenen Wege zu verzücken. Irgendwann reckte Kunze ehrlich bewegt die Faust in die Höhe und rief in den Jubel: "Ist ja fast wie früher."

Doch der Abend war lang, und es soll niemand vergessen werden: Nicht unser Big (Brother) Harry, der gut gelaunt das gesponserte Bier verkaufte, nicht Cappucino von Jazzkantine, der sich vor seinem Auftritt mit der Formation Supermercato zu einem fantastischen Impro-Duett mit Rolf Stahlhofen verführen lies, nicht die Handball-Mädels des THW, die unermüdlich mit der Spendendose herumgingen und natürlich nicht die Kieler Lokalmatadoren von Tears For Beers und andere Bands, die mit tollen Gigs bis zum frühen Morgen eine sichtbar geschrumpfte Schar begeisterten. Das alles war Pop, der Berge versetzen könnte.

Thomas Richter, Lübecker Nachrichten, Januar 2005

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