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Prophet im Niemandsland
Heinz Rudolf Kunzes neues Album Rückenwind
Er muss etwas zum Krieg sagen. Wenigstens zur deutschen Rolle in diesem Krieg. Druckreif formuliert am besten. Heinz Rudolf Kunze ist in seiner Karriere immer etwas zur Lage der Nation eingefallen, in Liedern oder Interviews. Hochglanzstatements zumeist, sprachlich immer ein wenig geschliffener oder böser als die der anderen. Kunze wurde dafür etikettiert. In seiner Titel-Sammlung finden sich Bezeichnungen wie "Niedermacher", "Deutschrocker", "Popprofessor", "Oberlehrer", "Quotendeutscher" oder "Wortakrobat". Sein musikalischer und lyrischer Output gilt als latent politisch und latent dagegen. Und wenn er ein Liebeslied singt oder nichts gegen den Krieg sagt, wird er gefragt, warum.
Mit den Etiketten muss er jetzt leben. Das Problem des Musikers Kunze ist, dass er nicht an seiner Musik gemessen wird, sondern an seinen Worten. Es ist diese alte Liedermacherhörertradition aus den Siebzigern, in denen man den Texten lauschte und des Künstlers Selbstbegleitung an Klavier oder Akustikklampfe als Beiprogramm in Kauf nahm. Auch Kunze wurde zu Beginn seiner Karriere vor allem beim Wort genommen. Anfang der Neunziger hat er sich durch laute und wüste Gitarrenmusik in die Schublade "Deutschrocker" vorgearbeitet. Ohne sie zu mögen.
Und nun will er ein neues Zeichen setzen. Wieder musikalischer Natur. Rückenwind heißt Kunzes 23. Album. Er hat nach 17 Jahren die Zusammenarbeit mit seinem Produzenten, Komponisten und Gitarristen Heiner Lürig beendet, er hat mit Franz Plasa einen neuen Produzenten gefunden, er hat neue Komponisten und eine neue Band. Und damit da auch gar keine Missverständnisse aufkommen, knarzen gleich zu Beginn die E-Gitarren los. Himmelfahrtskommando rotzt Kunze ins Mikrofon, "Auftraggeber unbekannt."
Doch alles halb so wild. Hier spielt keiner den zornigen jungen Mann. Es wird nicht einmal sonderlich politisch, sondern oft nachdenklich, natürlich selbstironisch und sogar, hört, hört, verhalten optimistisch. Mach auf ist ein glatter Mitsinger fürs Radio, Da müssen wir durch eine flotte Durchhalteparole, und das Titelstück eine Liebeserklärung alten Schlags, aber neuen Worts. Und bevor es dann mit einer aktuellen Selbsteinschätzung ("Prophet im Niemandsland") endet, kracht die Band mitten in Killroy was here noch einmal derbe los. Durchaus böse diesmal. Und ohne Vorwarnung.
Es gibt textlich wie musikalisch einiges zu entdecken auf Rückenwind, manches auch erst beim zweiten Hören. Das hat er mit seiner alten Band allerdings auch geschafft. Der Wiedererkennungswert von Heinz Rudolf Kunze ist weiterhin Heinz Rudolf Kunze. Zumindest das hat sich seit den Liedermacherzeiten nicht geändert.
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