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2003

"Die Etiketten sind irgendwie alle wahr"

Bad Salzuflen . Mit Dein ist mein ganzes Herz gelang ihm der Durchbruch, der Mann mit der gestrengen Brille gilt als der Vertreter des Deutschrock: Heinz Rudolf Kunze. Am Mittwoch, 30. April, ist er ab 21 Uhr in der Bad Salzufler Diskothek "Glashaus" zu hören präsentiert von der Lippischen Landes-Zeitung, die in ihren Geschäftsstellen auch den Kartenvorverkauf übernimmt. LZ-Redakteur Martin Hostert sprach mit dem Sänger.

LZ: In Ihren PR-Texten ist die Rede von einer Institution der Deutschrock-Szene, vom kreativen Rock-Poeten, vom Streiter für intelligenten Deutschrock, vom Multitalent HRK. Wo setzen Sie am ehesten Ihren Kunze drunter?

Kunze: Das müssen andere beurteilen, ich mache meine Arbeit. Die Etiketten sind ja alle irgendwie wahr. Die Menschen brauchen halt Schubladen, in die sie einen stecken können. Man muss mit Annäherungsversuchen dieser Art seinen Frieden machen. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn die Menschen nach so vielen Jahren Arbeit einen Künstler mit gar keinen Begriffen verbinden könnten. Vielleicht ist man darüber hinaus auch noch ein bisschen mehr.

LZ: Ihr erstes Album hieß Reine Nervensache, darauf ist ein sehr persönliches Stück: Bestandsaufnahme. "Mittlerweile finden wir, dass selbst Familienfeiern nicht mehr so schlimm sind wie man früher immer fand" Wie sieht Ihre Bestandsaufnahme 22 Jahre später aus? Sind Sie schön und gut, erfolgreich, berühmt und gesund, wie Sie auf selbstironisch der neuen CD singen?

Kunze: Nicht ironisch. Das ist die ganze Wahrheit.

LZ: Wen dürfen die Konzertbesucher in Bad Salzuflen erwarten? Den rockenden, den Schlager singenden, den rezitierenden Kunze? Den politischen, den romantischen?

Kunze: Ich wüsste nicht, dass ich jemals in meinem Leben Schlager gesungen hätte.

LZ: Dein ist mein ganzes Herz wird auf Schützenfesten gespielt.

Kunze: Aber "Männer" und "verdammt lang her" auch. Sind das deswegen Schlager? Ich bin sehr stolz auf jede Art von Gassenhauer. Das bedeutet, dass man auch ein flüchtiges Publikum erreicht, das sich nur nebenbei für HRK interessiert. Denn letzten Endes möchte man nicht nur bei Gemeindemitgliedern Spuren hinterlassen.

LZ: Ist Ihnen das denn in den 23 Jahren gelungen?

Kunze: Es ist gar nicht so einfach, so etwas zu erzeugen. Das kann man nicht am Reißbrett. Es sind einfach Glücksfälle.

LZ: Also was darf das Publikum erwarten?

Kunze: Mich! Wie ich gestrickt bin. Ich habe nie ein romantisches oder ein politisches oder ein sowieso Programm, sondern versuche immer, in allen Platten die ganze Welt einzufangen und alle Stimmungen und Gedanken zu erzählen. Deswegen ist die thematische Bandbreite sehr groß. Das führt leider oft dazu, dass viele Kritiker nur über meine Texte reden und meine Musik nicht beachten. Die ist nämlich auch besser als die der meisten.

LZ: Werden denn noch alte Stücke zu hören sein?

Kunze: Ich fasse immer einen weiten Bogen von ganz früh bis aktuell. Die neuen Stücke bilden den Schwerpunkt, aber ich spiele anderseits immer sehr lange.

LZ: Steht das Programm für die Tour fest?

Kunze: Ganz genau. Es ist eine richtige Inszenierung und wird selten umgestellt. Ich möchte in das Programm hineinkommen wie ein Schauspieler in sein Stück, mich nicht irritiert fühlen.

LZ: Veranlassen die Ereignisse Sie, das Programm umzustellen? Stichwort Golfkrieg?

Kunze: Nein. Ich habe nie aktuellen Katastrophen nachgegeben. Es gibt in meinen Liedern und Texten viele Dinge, in denen man passende Bilder findet. Wenn mir danach ist, werde ich in den Sprechbeiträgen aktuell reagieren. Natürlich gibt es Dinge, die von Konflikten handeln, die uns schon länger begleiten. Rückenwind ist sicher keine apolitische CD. Die Grundspannungen seit dem 11. September haben sicherlich Auswirkungen gezeigt. Aber: Es gibt nichts Peinlicheres auf der Welt als das direkte politische Lied.

LZ: "Gebt uns endlich Frieden," hat Danzer mal gesungen.

Kunze: Ich kann das nicht ertragen. Die Anbiederung der Kunst an die Politik. Da bekomme ich eine Allergie, da wird mir schlecht.

LZ: Welches Publikum erwarten Sie denn?

Kunze: Ich habe sicherlich das Gegenteil von einem Zielgruppenpublikum. Das sind unterschiedliche Leute von 18 bis 60 aus verschiedenen Umfeldern. Da ist schön und auch ganz logisch. Ich war nie das Sprachrohr einer Gruppe.

LZ: Erschwert das Ihre Arbeit?

Kunze: Ein einheitliches Publikum, das nur abgefüttert werden soll, kann auch ein große Belastung sein.

LZ: Sind Sie vor dem Tourstart sehr nervös?

Kunze: Ja sicher, muss man ja. Aber ich freu mich auch darauf, meine neue Band endlich live kennen zu lernen.

Martin Hostert, Lippische Landes-Zeitung, 27. März 2003

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