Cover des Albums "Wasser bis zum Hals steht mir"

2002

Heinz Rudolf, die sturmfeste Literatenrobbe

Mit seinem neuen Album Wasser bis zum Hals steht mir gibt sich Kunze als intellektuelles Schwergewicht – Gastspiele in Glauchau und Dresden.

Chemnitz. Unproduktivität kann man Heinz Rudolf Kunze nicht vorwerfen. Jedes Jahr erscheint ein neues Pop-Album, stets gefolgt von einer sehr langen Tournee. "Es hat uns wieder viel Spaß gemacht", sagt Kunze dann jedes Mal nach getaner Arbeit. Doch unser Heinz hat immer einige Texte mehr in der Schublade, als es je eine einzelne Plattenproduktion verkraften würde. Alle paar Jahre veröffentlicht er daher seine so genannten "anderen Alben".

Dabei handelt es sich um einen stilistischen Zwitter aus Sprechtexten und kleineren Soundcollagen. Zwei derartige Tonträger gibt es bereits; das neueste Kopfwerk ist mit Wasser bis zum Hals steht mir betitelt. Auf der Rückseite der CD schaut Kunze wie eine Nordseerobbe aus einem voll gefüllten Swimmingpool. Mit Streichholzfrisur und in voller Anzugsmontur. Das soll eine ernste Geste sein: Heinz, der sturmfeste Literatenhund, vom Wasser gegerbt, den sonnenbebrillten Blick stets dem Lichte entgegen.

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung ruft mir Kunze ein freundliches "Heinz hier" entgegen. Wir reden über die neue Platte, die dem Osnabrücker nach eigenen Angaben so sehr am Herzen liegt. "Ich wollte schon immer eine CD machen, in der ich die Sprechtexte mit deutlich mehr Musik unterlege." Das zumindest ist ihm gelungen.

Hallo Deutschland, eines der 14 neuen Stücke, arbeitet ziemlich geschickt mit aufwändig eingespielten Schnipseln historischer Tonkultur.

Darüber singt Kunze mit bedeutungsschwangerem Tonfall "Keiner geht ran / Keiner zu Hause". Das Stück schließt mit einem fernen Gewitterdonnern. Ein erstes Statement des wirklich Einsamen unter den Abstinenzlern. Das folgende Die Verteidigung der Stammtische ist aufgrund der Kunze-typischen Melodie sogar ein Radiohit. "Den Song hätte ich gerne auf meinem letzten regulären Album gehabt", freut sich Kunze. Und ergänzt bemüht trocken: "Aber da ist er mir noch nicht eingefallen."

Eingefallen ist ihm dafür aber leider Redundantes wie die Liebeserklärung. Heinz stellt darin die forsche und unglaublich neue Behauptung auf, dass es in schnulzigen Schlagerliedchen nicht immer allzu ehrlich zugeht. Noch unschöner wird es auf Nichts ist so erbärmlich wie die Jugend von heute. Kunze sagt "Yo, Mann" und liefert sich mit einem Proll-Rapper ein Scheingefecht über die heutigen Werte. Kunzes These: "Ihr seid unsäglich und wisst gar nichts. Widersprecht mir, wenn ihr könnt!" Der Rapper kläfft daraufhin zurück: "Ey, Alter, was laberst Du denn für ’ne Scheiße?"

Blitzgescheit dagegen ein Stück wie Auszeiten, in dem sich der Sänger gegen jegliche Avancen seiner Umwelt mürrisch verwehrt. Auch Die chinesische Wasserfolter ist ein gelungenes Gekeife gegen die Medienbranche und andere Pappnasen. Gut zu wissen, dass die von Kunze so gern inszenierte Rolle des Agent Provocateur gelegentlich doch noch passt. Solange Kunze allerdings auch weiterhin auf Teufel komm raus ein dampfendes Schwergewicht unter den Klugen sein will, wird ihm die eigene Eitelkeit noch oft im Wege stehen. Wir fassen daher zusammen: Wem das Wasser bis zum Halse steht, sollte den Kopf nicht hängen lassen.

CD und Tournee

Wasser bis zum Hals steht mir ist soeben bei WEA erschienen. Heinz Rudolf Kunze spielt am 15. März, 20 Uhr im Stadtheater Glauchau und am 21. April, 20 Uhr in der Semperoper Dresden. Karten für das Glauchauer Konzert in allen Freie Presse-Geschäftsstellen.

Gerrit Pohl, Freie Presse, 5. Februar 2002

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