Cover des Albums "Wasser bis zum Hals steht mir"

2002

Wasser bis zum Hals steht mir

Ein gewohnt sperriger Zwitter aus Musik- und Sprechplatte

"Das dritte andere Album" ist der Untertitel des neuen Werks von Heinz Rudolf Kunze – hier wird also eine Serie eröffnet, in der noch einige Teile folgen könnten. Kunze verdeutlicht damit auch, dass Wasser bis zum Hals steht mir (wieder ein preisverdächtiger Titel!) in der Tradition der musikalisch-literarischen Programme Sternzeichen Sündenbock und Der Golem aus Lemgo produziert wurde. Freilich wiederholt Kunze diese Konzepte nicht einfach, sondern wagt einen nächsten Schritt. Die Texte stehen hier nicht allein, sondern verbinden sich mit den Klängen zu einem ungewöhnlichen Hörerlebnis. Die meisten Stücke sind zwar spärlich, aber den Texten angemessen instrumentiert.

Kunze spricht selbst davon, sich damit einen Traum erfüllt zu haben und sich jenseits von Sparten zu bewegen. In der Tat, das tut er. Eine passende Schublade ist dafür nicht zu finden – mithin kann ihm wenigstens niemand vorwerfen, eigene Ideen abzukupfern. Bei Kunzes Produktivität schon ein Kompliment.

Ein hübsches Instrumentalliedchen, das entfernt an das Intro einer Familienserie erinnert, eröffnet einen Reigen von 14 Stücken, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Kaum hat man sich an einen, na ja: Popsong gewöhnt, erschallen Reggae- und Funk-Schnipsel, gefolgt von zornigen Sprechtexten, in denen es von Kunzes gewohnten Wortverdrehungen nur so wimmelt. Das frappierendste Stück ist jedoch ein Ausflug in den HipHop. Mit dem Versuch, die Sprache der Jugend zu sprechen, beweist er seltene Selbstironie. Der rappende Heinz Rudolf Kunze ist die amüsanteste Premiere dieses Albums.

"Ich möchte dir keine Komplimente machen, sondern Orgasmen", wünscht sich Kunze in Liebeserklärung. Ob ihm das mit Hirnfick gelingt, bleibt indes zweifelhaft. "Wir sind schön, aber nicht die Schönheit selbst", singt er an anderer Stelle – und das trifft es schon eher.

Wasser bis zum Hals steht mir ist kein Frühstückchen, sondern ein schwerer Rotwein für lange Abende. Der Hörer muss einige Zeit investieren, ehe er die Reime und Klänge entschlüsselt. Solange ihm dies nicht gelingt, ist der Genuss eher mühevoll. Aber leicht gemacht hat Kunze es uns zuletzt oft genug.

gut (drei von fünf Sternen)

Daniel Dilly, Rolling Stone, Februar 2002

Copyright & Datenschutz Heinz Rudolf Kunze Top