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2001

Von Brille bis Romanze: Heinz Rudolf Kunze singt vor, die Fans singen nach.

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Beatles, flüssig

Heinz Rudolf Kunze hat geträumt, er sei die Zukunft des Rock'n'Roll – und spielt im Capitol Hannover

Heinz Rudolf Kunze hat geträumt, die Beatles seien geschmolzen. Auf seiner Heizung. Den Rest von ihnen habe er dann ausgetrunken. Und nun sei er die Zukunft des Rock'n'Roll. War ja nur ein Traum. Genauer gesagt, eine der Geschichten, mit denen Kunze seine Konzerte anzureichern pflegt. Das Publikum im vollen hannoverschen Capitol freut sich über solche Geschichten. Genau wie über die Musik an diesem Abend, die nicht die Zukunft des Rock'n'Roll ist, aber eine Menge lohnenswerte Vergangenheit in die Gegenwart umsetzt. Schon vor dem Konzert hat Kunze die Besucher mit seinen Lieblingsplatten beschallen lassen, richtig olle Kamellen wie Black Sabbath oder The Who. Als er dann im schwarzen Mantel mit imposanter Knopfleiste die Bühne betritt und den ebenso bemerkenswerten wie obligatorischen Hut zum Gruße schwenkt, tobt der Saal schon.

Die Aufgaben sind wie immer klar verteilt. Oben auf der Bühne der Vorsänger, unten das Heer der Textfesten, die mit kaum einer Zeile zu überraschen sind. Ob nun die neuen, überwiegend beatles-melodiösen Stücke des neuen Albums Halt oder Songs der anderen 20 Platten: Ein Kunze-Publikum, und besonders das beim Heimspiel in Hannover, hat die Hausaufgaben immer gemacht, trägt die auch gern vor,wartet nur auf Stichworte.

Dieser Luxus gibt dem Sänger die Freiheit, sich vom Best-of-Verpflichtungen lösen zu können. Bei seinem Konzert-Marathon in der Beat Box auf der Expo hat Kunze damit bereits Punkte sammeln können, und auch diesmal erwarten die Fans eher Unerwartetes und verzichten gern auf Dein ist mein ganzes Herz oder Lola, wenn es denn entsprechenden Ersatz gibt.

Gibt es. Brille, Kunzes autobiografisches Erzählstück, das apokalyptische Stirnenfuß oder die irische Schunkelballade Der Abend vor dem Morgen danach zeigen exemplarisch (und viel deutlicher als die "Hits"), auf welch unterschiedlichen musikalischen Feldern sich Heinz Rudolf Kunze in 20 Karrierejahren bereits bewegt hat. Dazu so harte Brocken wie das undurchsichtige, versponnene Jesus Tomahawk vom neuen Album oder das ebenfalls neue Abschied muß man üben, das durch den kürzlichen Tod seines langjährigen musikalischen Weggefährten Mick Franke eine bedrückende (und spürbare) Aktualität bekommen hat. Die Werkschau an diesem Abend ist anspruchsvoll – und sorgfältig ausgewählt.

Und sie kommt an. Immer wieder feiern die rund 1800 Fans ihren Heinz zwischen den Liedern, und dieser Funke scheint auch auf den Mann mit dem Zauselbart und seine vier verläßlich groovenden Mitstreiter überzuspringen. Viermal werden sie wieder auf die Bühne gejubelt, und mit Wenn du nicht wiederkommst gibt es schließlich doch noch einen Hit. Doch der Kreis schließt sich dann nach zweieinhalb Stunden programmatisch. Romanze ist das erste Kunze-Stück überhaupt. Er hat es geschrieben, als er noch Schüler war. Und noch nicht einmal "Liedermacher". Und die Beatles noch nicht geschmolzen.

Uwe Janssen, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 17. Mai 2001

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