Artikelfoto (Foto Detlef Endruhn)

2001

Heinz Rudolf Kunze im Interview und (bald) live

Der Interlektuelle unter den Deutschrockern: Kunze. Am nächsten Mittwoch ist das scheue Multitalent wieder in Leipzig zu erleben.

Von Vorbildern, Talkshows und vorgeblichem Hang zur Faulheit

Eigentlich wollte er Professor für Germanistik werden, nicht Musiker. Doch längst ist Heinz Rudolf Kunze als Mann der vielen Begabungen begehrt und bewährt, und während er singt, Songs schreibt oder Lyrik und Kabarett macht, findet er, Lesen gehöre zum Beruf: "Ich muß mich ja informieren." Eben war der als der Intellektuelle unter Deutschlands Rockern gehandelte mit seinem neuen Gedichtband Klärwerk unterwegs, nun stürmt wieder der Sänger Kunze die Bühnen, nächsten Mittwoch in Leipzig ... Wir sprachen mit dem Multitalent über die Kunst, das Leben und die Dinge dazwischen.

Frage: Was versteckt sich eigentlich hinter dem Buchtitel Klärwerk?

Heinz Rudolf Kunze: Genau wie die anderen Bücher ist es etwas wie ein deutscher Gemischtwarenladen. Service für meine Hardcore-Freunde, die nach den Konzerten immer nach neuem Lesestoff fragen.

Frage: Von welchen Autoren beziehungsweise Dichtern lassen Sie sich dabei beeinflussen?

Heinz Rudolf Kunze: Es gibt viele, die mich begeistern: Franz Kafka, Gottfried Benn, Hans Henny Jahnn, Heinrich von Kleist, Peter Handke, Botho Strauss, Thomas Bernhard. Insofern lese ich manchmal von 10 Uhr morgens bis 18 Uhr abends und mache das Buch nur zu, wenn ich etwas schreibe.

Frage: Fallen Ihnen anschließend beim Zappen Lieder ein wie Talk Show Schmutz? Mögen Sie keine Talkshows? Sie sind selbst oft dort Gast ...

Heinz Rudolf Kunze: ... aber nicht in den obszönen Nachmittags-Shows, wo Leute ihr intimstes Sexual- und Seelenleben preisgeben. Das hat mich irgendwann so wütend gemacht, daß ich nicht anders konnte, als dieses Lied zu schreiben. Doch in die seriösen Shows gehe ich ganz gerne. In einer meiner letzten habe ich den Schauspieler Friedrich von Thun kennengelernt. Ein reizender gebildeter Herr. Das sind Begegnungen, die sich lohnen. Am liebsten mag ich aber Gespräche zwischen zwei Personen, wo man drei bis vier Sätze zu Ende sprechen darf.

Frage: Wenn Sie keine Platte machen, nicht auf Tour sind und nicht schreiben, dann übersetzen Sie Texte für Künstler wie Herman van Veen, Milva, Karel Gott, Peter Hammill und Hildegard Knef. Oder Sie übertragen Musicals wie Miss Saigon oder Les Miserables. Sind Sie Workaholic?

Heinz Rudolf Kunze: In der Wahrnehmung anderer bin ich offensichtlich relativ fleißig. Ich selbst empfinde es nicht so, ich betrachte mich sogar eher als faul. Es macht mir halt unheimlich viel Spaß, für Kollegen zu texten. Ich habe jetzt euch eine Zusammenarbeit mit der Ostberliner Band City angefangen. Hildgard Knef ist übrigens eine sehr höfliche, bescheidene alte Dame.

Frage: Sie gelten als extrem öffentlichkeitsscheu. Schlechte Erfahrungen?

Heinz Rudolf Kunze: Nein. Ich bin einfach menschenscheu, sodaß ich mich immer wieder wundere, wie ich es überhaupt aushalte, vor so vielen Leuten zu spielen. Ich kenne mehrere Kollegen, denen es so geht. Typen wie Udo Lindenberg, der öffentlich lebt, bilden die Ausnahme.

Frage: Auf Ihrer neuen Scheibe betätigen Sie sich quasi als singender Sozialarbeiter, indem Sie Leute mit falscher Gesinnung auf den richtigen Weg zu führen suchen ...

Heinz Rudolf Kunze: Die Häufung von Nachrichten rechter Gewalt hat mich an den Schreibtisch getrieben, obwohl ich normalerweise nicht so direkt reagiere. Eigentlich habe ich eine Allergie gegen Imperative.

Olaf Neumann, Leipziger Volkszeitung, 4. Mai 2001

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