Heinz Rudolf Kunze während einer Lesung

2001

Bestandsaufnahme

Bestandsaufnahme Deutschland: Zum zweiten Mal gastierte Heinz Rudolf Kunze am vergangenen Mittwoch in der Buchhandlung Geist im Rahmen einer Literaturlesung. Wortgewaltig las er aus seinem fünften, gerade erschienenem Buch Klärwerk.

Der Mann mit dem markanten Kürzel HRK hat sich vor allem als Sänger und Rockmusiker einen Namen gemacht. Zwanzig Alben hat er in den vergangenen zwei Jahrzehnten produziert. Seine literarische Facette ist dagegen weitaus weniger bekannt, verdient aber eine breitere Aufmerksamkeit.

Was ist Kunzes Literatur? Er schreibt keine Gedichte, keine Essays und keine Romane. Er nennt seine überwiegend in Versform verfassten Shortstories schlichtweg Texte. Klärwerk beinhaltet rund 200 Arbeiten aus den Jahren 1998 bis 2000.

Mit kritischem Blick betrachtet Heinz Rudolf Kunze die Werte und Normen der multimedialen Gesellschaft. Mit verbaler Präzesion und sprachlich ausgefeilt legt er den tabascobenetzten Finger immer wieder direkt in die offene Wunde – und das tut gehörig weh.

Abseits jeden Zeitgeistes schert sich Kunze einen Dreck darum, trendy zu sein. Zynismus, Selbstironie und eine glasklare Sicht der Dinge sind prägend für die vorgetragenen Texte: "Herr Pastor, ich habe ein Problem." – "Hier ist nicht Houston!"

Und wenn HRK sich zu seiner starken Truppe bekennt, so meint er keinesfalls die Bundeswehr, sondern die imaginäre Armee der Langschläfer: "Zuerst war ich skeptisch, denn die Grundausbildung war manchmal ziemlich hart: Wälzen, Kampfstrampeln, Spätaufstehen, da ging es richtig zur Sache ... Ich bin bei den Langschläfern, weil ich der Meinung bin, daß sich jeder für sein Land langmachen sollte ... Umdrehen! Zudecken! Weitermachen! Gute Nacht, Deutschland!"

Ein Grenzgang zwischen Realem und literarischem Surrealismus. Kunze reist mit kritischem Blick durch die Psyche des Individuums, die Seele der Gesellschaft und in das Herz der Welt.

Keinesfalls schwingt sich der studierte Pädagoge dabei zur Stimme des Volkes auf. Er verzichtet bewußt darauf, oberlehrerhaft den mahnenden Zeigefinger zu erheben. Allein bei seinem Statement zum Rechtsradikalismus positioniert sich Kunze eindeutig und vehement.

Auch Erotisches wird vom Autor thematisiert. Zumeist steigert er anfängliche Sinnlichkeit etappenweise in sexuelle Exzessivität, gewürzt mit einer Prise intellektuellem Vulgarismus. Hier kennt der Künstler keinerlei Grenzen und Tabus.

Kunze geht der Sprache auf den Grund, nicht auf den Leim. Er deckt Hohlräume auf – bei Politikern, Medien-Machern, dem nimmersatten Konsumenten oder dem selbstzufriedenen Kleindenker.

Ulf Kaack, Kreiszeitung Syke, 6. April 2001

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