2001

Möchte gerne mal in einem Krimi mitspielen – Heinz Rudolf Kunze

Kriminalkomissar Kunze

Heinz Rudolf Kunze ist wieder voll da: Sein neues Album Halt bewegt sich weit oben in den Hitparaden, demnächst veröffentlicht er ein neues Buch. Und im Frühjahr geht der Denker unter den deutschen Popmusikern auf ausgedehnte Tournee. Dafür durfte er schon mal Proben: Mit seiner Band Verstärkung trat Kunze in Hamburg und Rostock auch auf Lindenbergs Konzerten Rock gegen rechte Gewalt auf.

Du hast im Rahmen der Kampagne Rock gegen rechte Gewalt von Udo Lindenberg zwei Konzerte absolviert. Wie war das?

Eben das klassische Problem aller Konzerte: Wie komme ich an die Leute heran, die noch nicht sowieso schon von der Sache überzeugt sind. Dieses Problem wird von solchen Veranstaltungen nicht gelöst werden. Insofern darf man von diesen Konzerten nicht zu viel erwarten. Ich würde das als Kräftigung nach Innen bezeichnen: Wir machen uns selber klar, und damit der Außenwelt deutlich, daß wir für solche Umtriebe nicht zu haben sind. Daß wir dagegen sind und man uns von rechter Seite her nicht vereinnahmen kann – mehr kann es eigentlich nicht sein. Das Publikum auf solchen Konzerten ist sicherlich unserer Meinung und ich denke, die wirkliche Arbeit, Leute vom rechten Gedankengut abzubringen, muß anderweitig geleistet werden. Da sind Konzerte einfach nicht das richtig Mittel.

Nun sagt Heinz Rudolf Kunze auch mit seinem Albumtitel und einem Song: Halt. Er hat auch einen weiteren Song über Talkshows, in welchem er sich deutlich äußert. Ist das Kunzes neue Deutlichkeit?

"Es kommt zumindest vor und ich muß mir auch gleich schon von bestimmten Kritikern anhören, das sei ja peinlich, Liedermacher-haft und belehrend. Das sind wahrscheinlich die gleichen Kritiker, die vorher acht, neun Jahre geschrieben haben, Heinz Rudolf Kunze würde immer undeutlicher und habe keinen Biß mehr. Man kann es solchen Leuten einfach nicht recht machen. Es kommt halt vor, daß Lieder wieder direkter etwas angehen. Ob das jetzt eine Richtung wird und so bleibt, vielleicht zum Rezept für das übernächste Album taugt, kann ich nicht sagen. Aber es gibt offensichtlich immer noch genug Anlässe auf der Welt, die mich so aufregen, daß ich einigermaßen direkt darauf reagieren muß."

Offensichtlich kannst Du es aber deinen Fans und denen, die Du jetzt dazu gewinnst, recht machen, denn Halt ist ja bereits, so vermute ich, eines deiner bisher erfolgreichsten Alben ...

"Das scheint so zu werden. Zumindest hat es von der öffentlichen Wahrnehmung ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erregt. Wie sich das in absoluten Zahlen ausdrückt, wird man erst in ein paar Monaten wissen. Ich nehme an, daß ich von der allgemeinen Entwicklung des Tonträger-Marktes nicht verschont bleibe und der Markt ist nun mal rückläufig. Ob ich noch mal auf alte Zahlen komme, wie mit den alten Alben, das weiß ich nicht."

Nun ist dieses Album, mehr noch als frühere, auch mitgeprägt von dem Weggefährten und Mitstreiter Heiner Lürig, der auch die eine oder andere Melodie beigetragen hat. Kommt so etwas, nach all den Jahren, einer Ehe gleich?

"Ich denke, das ist wohl der passendste aller schiefen Vergleiche. Weil das so ist, haben wir es diesmal ja auch ein wenig durchlüftet und für vier Titel einen Fremd-Produzenten rangelassen. Auch, um mal im Vergleich zu gucken, wo wir denn stehen; ob wir noch auf der Höhe sind oder vielleicht in gewissen Routinen erstarrt sind. Diese Selbstüberprüfung ist eigentlich sehr zu unseren Gunsten ausgegangen, denn der Fremd-Produzent fand das, wie wir arbeiten, so interessant, daß er sich weitestgehend uns angenähert hat. Das war für Heiner, in seiner Verantwortung als langjähriger Produzent, auch mal eine gute Bestätigung: Wenn man sieht, daß ein jüngerer Kollege, der elf Jahre jünger als ich und dem zu Folge 13 Jahre jünger als Heiner ist, unsere Arbeitsweisen sehr imposant findet und sich dann eigentlich nahtlos einfügt."

Stichwort Medien und mediale Überflutung – was nimmst Du eigentlich wahr? Fühlst Du Dich überflutet? Wie segmentierst und sortierst Du das, was auf Dich einstürmt? Hängst Du die ganze Nacht im Internet-Chat?

"Ich bin sehr froh, daß ich um mich herum liebe Leute habe, die für mich diese Abteilung Internet betreuen, weil sie einfach wissen, daß ich da vorkommen sollte. Diese Menschen kennen nämlich meine Schwäche im Umgang mit dieser Technologie und regeln das Ganze, Gott sei Dank, für mich. Trotzdem gibt es natürlich eine Überflutung. Ich bin jemand, der versucht, so viel wie möglich, durch die klassischen Kanäle Zeitung, Radio, Fernsehen aufzunehmen. Dieses Gefühl, daß man manchmal die Tagesschau mit ihren ewigen schlechten Nachrichten nicht mehr aushalten kann, das habe ich schon. Da bin auch ich verführt, den Kopf in den Sand beziehungsweise die Kopfkissen zu stecken. Man sieht ja auch, wohin diese Überflutung führt, denn die meisten Menschen haben ja schon dicht gemacht. Die können einfach mit dieser Masse an globalen Erkenntnissen und Informationen nicht umgehen, es nicht verdauen. Das führt dazu, daß viele sich für überhaupt Nichts mehr interessieren."

Ein Grund für den Erfolg der vier Harry Potter-Bände?

"Das kann durchaus sein. Es ist durchaus bemerkenswert, daß ein solches Märchen, in welchem Computer nicht mit einem Wort erwähnt werden, so erfolgreich ist – egal, ob man dieses Buch nun literarisch gelungen findet oder nicht. Ich finde es eher gelungen und eine Sensation, daß man eine Generation von Kindern und Jugendlichen wieder zum Lesen gebracht hat. Die Hoffnung schien mir schon fast gestorben zu sein."

Heißt das, daß Du, auch beflügelt durch die neue Lesewut, neben Deinen musikalischen und künstlerischen Tätigkeiten auch weiterhin literarisch am Markt sein wirst? Was wird mit Dir, durch Dich oder für Dich im Laufe des noch jungen Jahres so passieren?

"Vor der Tour kommt im März das neue Werk 'Klärwerk' in Leipzig auf der Messe raus und dann wird es auch noch eine Lese-Tour geben. Zehn mal werde ich, glaube ich, los geschickt. Gott sei Dank hintereinander weg, so daß man das an einem Stück absolvieren kann. Hauptsächlich durch den Osten. Da kann ich mich dann erst mal austoben und auf der richtigen Tour voll und ganz auf die Musik konzentrieren, da muß ich nicht so viel sprechen."

'Hauptsächlich Osten' – ist der Osten offener für Deine Texte?

"Das hat ganz handfeste Gründe, denn der Verlag sitzt in Ostberlin, die kennen sich im Osten besser aus und kennen dort mehr Ansprechpartner. Es ist wirklich auffällig: Wenn ich lese, bin ich zu 80 Prozent im Osten unterwegs."

Was würdest Du denn gerne mal machen, was Du noch nicht getan hast?

"Ich habe ja einen Beruf, in welchem man sich eigentlich viele Träume erfüllen kann. Von daher fällt mir jetzt gar nicht so viel ein. Vielleicht mal in einem Krimi eine Rolle spielen zu dürfen. Das wäre ein lang gehegter Wunsch, wobei ich nicht wüßte, ob ich das überhaupt kann. Probieren würde ich es auf jeden Fall gerne mal."

Den Bösen spielen?

"Das wäre mir fast egal. Es könnte eine zwielichtige Rolle sein, es könnte aber auch ein Kommissar sein. Einfach mal eine Funktion haben."

Karl Günter Rammoser, Bild Online, 13. Februar 2001

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