Artikelfoto (Foto: Pöttges)

2000

Bescheiden: Heinz Rudolf Kunze

Der Osten lebt!

Die Puhdys und Kunze bei Tollwood

"Alle Ossis sind rot und die Puhdys sind tot?" Mitnichten! Die neue ostdeutsche "Kommt-laßt-uns-in-alten-DDR-Erinnerungen-schwelgen!"-Welle schwappt auch auf ehemals feindliches Terrain herüber und beschert der einstigen Kultband aus Ost-Berlin ein nicht für möglich gehaltenes Revival. Am Mittwoch jedenfalls strömten bei Tollwood Hunderte Fans von "drüben" zu den Puhdys in die Musikarena, um mit ihren Helden von einst zu feiern.

Die Wessis haben bei so viel Zusammengehörigkeitsgefühl schon kapituliert. Heinz Rudolf Kunze, Mitte der 80er Jahre noch gefeierter Rock-Poet aus westdeutschen Landen, war sich nicht zu schade, beim Doppel-Konzert als erster auf die Bühne zu kommen. Schließlich haben die Puhdys im Osten ganze Stadien gefüllt. HRK ist froh, wenn er in München den "Schlachthof" vollbekommt.

Aber vielleicht zahlt sich ja sein "hartnäckiges Liebeswerben" um die Gunst des Publikums aus. Am Mittwoch jedenfalls genoß er es sichtlich, daß die Fans ihn und seine Verstärkung nach einem erstklassigen, sehr rockigen Hit-Feuerwerk gar nicht wieder gehenlassen wollten.

Irgendwann mußte er dann aber Platz machen für ein paar Rock-Opas, die schon mal die "Stones des Ostens" genannt werden. Für die Gesichtsfurchen mag das ja gelten: Seine Drogen-Exzesse haben bei Keith Richards nicht so viel angerichtet wie bei den Puhdys 20 Jahre Arbeiter-und-Bauern-Rock.

Es ging ja noch ganz gut los: "Wenn ein Mensch lebt" zum Beispiel, dem Soundtrack zu dem DDR-Kultfilm "Die Legende von Paul und Paula". Schöne Melodie, lyrischer Text (allerdings von Ulrich Plenzdorf!) – wir waren drauf und dran, Abbitte zu leisten dafür, daß wir die City-, Karat- und Puhdys-Platten die uns (Wessis) die Ost-Verwandtschaft immer aufdrängte, nach einem halben Mal Hören auf Nimmerwiedersehen ins hinterste Regal stellten.

Ab dem vierten Lied wußten wir, warum! Einfache Gitarrenriffs gepaart mit moralisierenden Texten: wer braucht das schon? Den hartgesottenen Fans gefiel's. Zeilen wie "Ich will nicht vergessen, was war" waren der Brüller. Da war sie wieder, diese Osttümelei.

Wolfram Porr, Münchner Merkur, 7. Juli 2000

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