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Die Deutschen & die Quoten
Persönlicher Leserbrief von Heinz Rudolf Kunze
Als mein Namensvetter Rainer Kunze kurz nach seiner Übersiedlung von der DDR in die BRD an Anti-Pershing-Demonstrationen teilnahm, fragte ihn prompt ein Journalist: "Sie tun das doch sicherlich nur, um ihre Bücher zu promoten, oder?" Eine der ersten bitteren Erkenntnisse des Lyrikers im Westen war: Welche Meinungsführerschaft hierzulande die Niedertracht hat. Es ist erschütternd, welche hysterischen Formen mittlerweile die Diskussion um die sogenannte "Quote für deutsche Rock- und Popmusik" angenommen hat. Eine beeindruckende Anzahl (ich schätze: die Mehrheit) hiesiger Künstler, darunter größte Namen, hat sich per Unterschrift hinter die Initiative des Deutschen Rockmusikerverbandes gestellt. Die öffentliche Prügel aber beziehe ich allein. Meine Argumente werden vom Tisch gewischt. Unterstellt wird mir nur zweierlei: Entweder Kunze tut es ausschließlich für sich selbst, weil er sich wohl zu selten beim Frühstück im Radio hört – oder er ist ein heimlicher Rechtsradikaler. Ich empfinde es als ungeheuerlich, daß ich mir als durch und durch anglophiler Rockmusiker und Musical-Übersetzer aus dem Englischen sagen lassen muß, ich wolle "unser Land geistig abschotten" oder verlange gar "in Zukunft Ariernachweise fürs Musikmachen". Aber es ist immer das gleiche Spiel: Wer in Deutschland irgendeine wirklich wichtige, unbequeme Auseinandersetzung anschiebt, wird verläßlich postwendend als "faschistoid" beschimpft – aus irgendeinem Sumpfloch erschallt dieses Geschrei dann allemal. Über meine Unterstützung durch Wolfgang Niedecken und Udo Jürgens habe ich mich sehr gefreut. Einige Kollegen sind mir allerdings auch in den Rücken gefallen – mit der Bemerkung, Zensur sei verwerflich, und Qualität setze sich sowieso durch. In der Tat: Jede Art von Zensur ist ekelhaft. Aber mich, der ich mich gegen die herrschende Geschmackszensur zugunsten von englischsprachigem Schrott einsetze, der die Sinne zum Verkommen abrichtet, als Zensor hinzustellen, ist absurd. Ich will nichts weiter als eine faire Chance für spannende deutschsprachige Musik – in einem Gesamtspektrum, das auch bei den ausländischen Produktionen weniger Koma- und Debilpop und mehr Querdenker-Schärfe und Witz anbietet. Und wer behauptet, daß Klasse sich ohnehin durchsetzt, ist entweder ein kaltblütiger Etablierter, der Konkurrenz ausschließen will, oder feige und dumm, weil er sich mit bestimmten Mediengewaltigen nicht verderben will. Interessante deutschsprachige Rockmusik, und nur dafür spreche ich, muß ermutigt werden und Türen in Radio und Fernsehen aufgemacht bekommen. Keiner will eine Quote. Ich auch nicht. Wir brauchten nur ein Wort wie ein Donnerschlag, das zumindest ist uns gelungen. Ich möchte nichts weiter erreichen als eine Selbstbesinnung bzw. -verpflichtung der Medien, der Musik, die hier entsteht und von uns erzählt, einen fairen Platz neben (möglichst: feiner ausgesuchter) Musik aus aller Welt einzuräumen. Ob dann Frankreich das große Vorbild ist, ob man das in Zahlen ausdrücken und dann gar noch kontrollieren muß – das sind doch alles nachgeordnete Fragen. Ich habe reihenweise Radio- und Fernsehleute getroffen, die mir zustimmten
heimlich. Kein anderes Land auf der Welt ist kulturell so selbstvergessen wie Deutschland. Über die Gründe, die vor fünfzig Jahren dazu geführt haben, habe ich wahrscheinlich mehr gelesen als die meisten Leute, die mich jetzt so aufgeklärt anpöbeln. dieser deutsche Selbstzweifel, Selbsthaß ist gefährlich und hinterläßt in vielen kurzgeschorenen Köpfen ein Werte-Vakuum. Wer meine bisherigen 17 Alben zur Kenntnis nimmt, kann mir nur bei perfidester Bösartigkeit unterstellen, daß ich mit solchen Leuten sympathisiere. Aber es gehört zu meinem Job, daß ich über sie nachdenke. Mit Empörung habe ich nun wahrgenommen, daß sich die CDU/CSU als Trittbrettfahrer zu Wort meldet und die Stellung der sogenannten "Volksmusik" stärken möchte. Diese zynischen schlechten Schlager (es gibt auch gute Schlager!), vorgetragen in Dirndl und Lederhose, die wie eine Seuche Radio und Fernsehen überschwemmt und Rockmusik wie in einem Verdrängungskrieg beinahe schon erledigt haben, haben mit der Musik des "Volkes", wie sie Künstler wie Hannes Wader, Liederjan oder Biermösl Blosn aufbewahren, nicht das geringste zu tun. Auf die Unterstützung der Lobbyisten dieses Heile-Welt-Mülls möchte ich dankend verzichten. Was ich brauche, was wir brauchen, ist sachliche Auseinandersetzung statt Hexenjagd. Natürlich sollen wir weiterhin offen sein für Einflüsse von außen – ich habe alles, was ich als Musiker kann, von England und Amerika gelernt. Aber wenn wir uns dabei nicht auch um das spezifisch Unsere in uns kümmern, schaffen wir uns geistig selber ab. Einsicht ist gefragt: bei Musikern, Schreibern, Redakteuren, Moderatoren, Leuten in den Plattenfirmen. Und nicht nur, wie jetzt schon, hinter vorgehaltener Hand. Nieder mit der Quote. Es lebe die Vernunft.
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