Hier in diesem Lande denken wir deutsch
Verbal-Hardrocker Heinz Rudolf Kunze will keine angloamerikanische Musikflut
taz: Herr Kunze, mit Ihrem Engagement für eine deutsche Rundfunkquote haben Sie sich wenig Freunde gemacht. Tut Ihnen Ihr Vorstoß schon leid?
Kunze: Nein, ich bin jetzt 16 Jahre dabei und habe gelernt, daß das einzig wirklich Bedenkliche in diesem Beruf ist, wenn man überhaupt keine Wellen schlägt.
taz: Gerade die jüngere Garde deutscher Rockmusiker, für die Sie sich stark gemacht haben, verzichtet auf Ihre Hilfe. Element Of Crime zum Beispiel "Zensur ist scheiße, und wer sie fordert, auch."
Kunze: Das finde ich geradezu unfaßbar. Ich, der ich mich aufmache, was zu sagen gegen die herrschende Geschmackszensur zugunsten der angloamerikanischen Popmusik, werde jetzt selber der Zensur beschuldigt. Das ist nicht unpikant ... Es ist mir aber relativ egal, ob solche Bands sich von mir als einem Etablierten umarmt fühlen und diese Umarmung zurückweisen.
taz: Kunze, der selbstlose Idealist?
Kunze: Ich fand einfach die Idee des Deutschen Rock- und Popmusikverbands berechtigt und habe meinen Namen dafür eingesetzt. Es ist ein Klageschrei, ein Versuch, Aufmerksamkeit zu erzwingen. Im übrigen ärgert mich, daß sämtliche Leute, die sich in unserem Nachbarland Frankreich Gedanken gemacht haben, für Idioten erklärt werden.
taz: Aber in Frankreich ist die Quote heftig umstritten. Selbst quotenfreundliche Sender haben Schwierigkeiten, die 40 Prozent mit heimischer Produktion zu erfüllen – aus Qualitätsgründen.
Kunze: Es geht ja auch nur darum, Annäherungswerte herzustellen: daß Leute sich in den Programmen Gedanken machen, wie möglichst viel interessantes deutsches spannendes Material zu spielen ist. Ob es rechnerisch dann auf exakt 40 Prozent rausläuft, das ist ein anderes Paar Schuhe. Ich meine, es ist nur ein notwendiges, aus der Notwehr entstandenes Aufhalten der Tür ...
taz: Wo genau liegt die Not?
Kunze: Einfach darin, daß die deutschsprachige Musik angesichts der angloamerikanischen Musikflut und angesichts der Power der Industrie, die dahintersteht, wenig Chancen hat.
taz: Ihre Forderung nach einem musikalischen Austritt aus der Nato, die Sie im Spiegel formuliert haben, plädiert doch für einen deutschen Sonderweg.
Kunze: Das Problem bei solchen veröffentlichten Statements ist immer, daß man das Augenzwinkern schlecht mit abdrucken kann. Es sollte eine Maximalforderung sein, genau wie bei den Grünen, die ja auch wissen, daß sie so was nicht hinkriegen.
taz: Sicher nicht augenzwinkernd gemeint war die Formulierung Ole Seelemeyers vom Deutschen Rockmusikerverband, Englischsprachiges im Radio sei "Genozid an der deutschen Rockmusik".
Kunze: Das ist natürlich auf eine sehr dicke Pauke gehauen. Aber da ich gelegentlich auch zu verbalem Hardrock neige, verstehe ich, was er meint, und finde das nicht so skandalös wie andere.
taz: Er vergleicht Völkermord mit der Tatsache, daß deutsche Rockmusik nicht so viele hören wollen.
Kunze: Er war, als er das formuliert hat, sehr aufgebracht. Den Impuls dahinter verstehe ich gut. Die Formulierung ist ... angreifbar, sicherlich.
taz: Was ist so wichtig daran, deutschsprachigen Rock im Programm zu haben?
Kunze: Mir geht's nicht um Nation im Sinne von Nationalstaat, höchstens um den Begriff Kulturnation. Einfacher gesagt aber darum, daß wir hier in diesem Lande nun mal deutsch denken und unsere Gedanken auf deutsch ausdrücken. Daß einige Kollegen in der Popmusik das englisch maskieren, finde ich komisch. Ich kann es gar nicht fassen, daß die simple Tatsache, daß jemand sich auf deutsch ausdrückt, manchen so merkwürdig aufstößt. Es fragt doch auch niemand Bob Dylan, warum er englisch singt. Außerdem gibt es auch gute inhaltliche Gründe: Kaum einer, der in Deutschland englisch singt, kann diese Sprache gut genug, um sich so auszudrücken, daß sich ein englischer Hörer nicht totlacht. Ich denke, ich kann das ein bißchen beurteilen, ich arbeite selber als Übersetzer aus dem Englischen.
taz: Werden Sie so auch in der Diskussion auf der Popkomm argumentieren?
Kunze: Nee, ich werde nicht da sein. Da soll mal einer von den Kollegen hingehen. Aber es ist wie damals bei Band Aid, als es darum ging, Lebensmittel und Medikamente nach Afrika zu transportieren: Plötzlich waren sie alle auf Tour, konnten nicht und dachten wohl: Der Heinz soll das mal machen.
taz: Fühlen Sie sich allein gelassen?
Kunze: Gelegentlich schon. Udo, Wolfgang, Ulla oder Maffay hätten zu dem Thema sicher auch Beredtes zu sagen. Ich denke gar nicht daran, immer das öffentliche Arschloch zu sein.
Thomas Groß, taz, 16. August 1996
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