? H.R. Kunze !
Mensch, Heinz Rudolf Kunze ohne die gewohnte Hornbrille, sondern in Flicken-Jeans und LederJacke. Nicht übel!
Das war immer schon mein privates Outfit. Zum ersten Mal hab ich das als kleiner Junge gesehen, auf dem Cover von "After The Goldrush" von Neil Young, wo diese Flickenhose gefeatured wird. Das hat mich so begeistert, daß ich mir das auch als Marotte zugelegt habe. Ich trenne mich unheimlich ungern von alten Jeans und denke irgendwie: Every Flicken tells a story.
Aha. Tun sie das wirklich oder sind es "moderne" Flicken?
Nein, da sind auch überall Löcher drunter. Es ist schlicht abgenutzt, wirklich eine Geschichts-Hose.
Soso, ganz ehrliche Flicken also. Und wer näht die auf?
Meine Frau.
Und die Kinder sagen nicht: "Papa, Grunge ist out"?
Nö, so alt sind die Kinder noch nicht. Die sind zehn und acht Jahre alt und fangen jetzt erst an, sich ganz vorsichtig für Musik zu interessieren. Mein Sohn nimmt jetzt Klavierunterricht.
Das sieht der Vater gern. Müssen die auch Costello hören?
Um Gottes Willen, nie im Leben hätte ich meine Kinder zur Musik angeleitet! Mein Sohn wollte auf ureigenen Wunsch hin Klavier lernen. Und er war es auch, der mich schon mit neun Jahren umgehauen hat, indem er mir eines Tages drei eigene Songtexte gezeigt hat, die er auf dem Computer geschrieben hatte.
Und die handelten sicherlich von der schlechten Welt.
Ja, es gab ein Lied über Krieg, was er so im Fernsehen gesehen hat, was ihn daran verstört und mit der Frage, warum es das geben muß, also ein Protestlied eines Neunjährigen. Dann gab es ein Lied über Schulalltag, das fand ich das beste, weil das anchaulich war, weil er das am glaubwürdigsten umsetzen konnte. Und es gab ein Lied über Weihnachten, das ist eben für ihn auch sehr wichtig.
Erkennt der Vater sich darin wieder oder ist das eine neue Generation deutschen Liedermachertums?
Ich war einfach nur stolz. Und ich habe ihn eben nicht dazu angehalten; er hat mich immer gebeten, von unseren Tourneen die Mitschnitte zu bekommen und hat dazu dann immer mitgetrommelt. Und bei uns gegenüber wohnt ja die Familie Meine, und der Sohn von Klaus Meine und mein Sohn haben sich dann zusammengesetzt und versucht, Musik zu machen. Das war wirklich niedlich.
Bei den Vätern ist so eine Kollaboration eher unwahrscheinlich?
Das bietet sich nicht so direkt an, aber wir haben einen guten Kontakt und Klaus kommt seit mehreren Jahren regelmäßig zu mir und spielt mir die neuen Scorpions-Sachen vor, bevor sie veröffentlicht werden – und will tatsächlich meine Meinung wissen, das finde ich nett.
Aber deren Alben werden dann trotzdem veröffentlicht.
Ja, es ist nicht mein Wille in dem Sinne, aber so eine nachbarschaftliche Auseinandersetzung über Musik, die doch aus ganz verschiedenen Ecken kommt, finde ich zunächst mal einfach dufte – daß er tatsächlich Wert auf meine Meinung legt. Und umgekehrt natürlich auch. Wenn ich dann etwas Neues angefertigt habe, komme ich in sein Wohnzimmer, und dann hören wir uns brettlaut – wie es seine Gewohnheit ist – meine Sachen an.
Dann mäht Ihr sicherlich auch synchron den Rasen.
Nein. Er hat seinen Gärtner und ich habe meinen (lacht).
Nun vom Hard-Rock flugs zu Deiner Lederjacke. Hintendrauf appliziert: Dein Konterfei. Das ist eitel. Und mutig.
Was Peinlichkeit anbelangt, bin ich sehr amerikanisch veranlagt: Ich habe da keine Hemmschwelle. Die Jacke hat ein Berliner Leder-Designer, der mich seit Jahren gut kennt, hergestellt und der hat sie in sein Schaufenster gehängt, und er wußte, daß ich manchmal an seinem Laden vorbeigehe und diese Jacke bestimmt kaufen würde. Und da hat er auch recht behalten.
Trägst Du etwa auch die Tour-Shirts von Deinem Merchandising?
Privat ziehe ich die schon an, weil sie gut designed sind. Und wenn das gelungen ist, dann trage ich das auch. In dieser Beziehung bin ich wirklich ganz naiv.
Dafür hast Du nun eine neue Band.
Wir haben zehn Jahre lang praktisch unverändert zusammen gespielt, zum Teil sogar schon 14 Jahre.
Und das reichte.
Ich brauchte einfach mal neue Einflüsse, auch neue Spielfreunde. Dieser Schritt ist mir sehr schwer gefallen und bedauerlicherweise auch nicht ohne persönliche Verwerfungen über die Bühne gegangen. Es war für mich eine schwierige Entscheidung, aber es mußte einfach sein. Das war ein ständig ansteigender Würgereiz, der einfach nicht mehr länger zu unterdrücken war.
Wie hast Du Ihnen das beigebracht – abends am Kamin beim schönen Rotwein?
Nein, nein, ich kann sowas nicht mündlich; dazu bin ich nunmal ein zu konfliktscheuer Mensch. Ich habe ihnen im Frühjahr lange Briefe geschrieben.
Das ist nicht besonders mutig.
Aber so bin ich nun einmal.
Rolling Stone, Februar 1996
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