Artikelfoto (Foto: Heinrich/Simon)

1993

Im Konzert: Heinz Rudolf Kunze bei seinem umjubelten Gastspiel im Tempodrom

Die wichtigste Waffe von Heinz Rudolf Kunze ist sein flinkes Mundwerk

Den echten Rock-Musiker kann so leicht nichts erschüttern, auch kein Unfall. Bei einem Auftritt in Köln vor wenigen Tagen nahm Heinz Rudolf Kunze das Motto seines letzten Albums Draufgänger etwas zu wörtlich, als er den direkten Kontakt zum Publikum suchte.

Ekstatisch stürzte der Osnabrücker von der Bühne und zog sich dabei eine Sehnenverletzung zu. Das seit langem ausverkaufte erste von zwei Konzerten im Tempodrom konnte er deshalb nur im Sitzen absolvieren. Kunze nahm es mit Fassung und Galgenhumor.

Schließlich ist er nach fast 15 Jahren konstanten Aufstiegs Profi genug, so ein Handicap wegzustecken. Vom Publikum bejubelt, stand er mit neunköpfiger Verstärkung über zwei Stunden lang auf der Bühne.

Die wichtigste Waffe dieses Mannes ist sowieso sein Mundwerk, und das ist nach wie vor intakt. Zwischen den Stücken kann er sich des öfteren bissig-ironische Anmerkungen nicht verkneifen. Hauptzielscheibe ist natürlich der Rechtsradikalismus. Den attackiert Kunze nicht etwa, weil es gerade Mode ist, sondern weil es ihm auf der Zunge brennt, der Gewalt die Macht des intelligenten Wortes entgegenzusetzen. Und von denen hat er dermaßen viele im Repertoire, daß das Zuhören eine wahre Freude ist.

Zu einer politischen Veranstaltung verkommt der Auftritt deswegen noch lange nicht. Mit Begeisterung stöbert der Akademiker des Deutsch-Rock in seinem eigenen Songarchiv und holt mit Folgen Sie mir weiter sogar einen Klassiker aus nicht nur für ihn seligen Kant-Kino-Zeiten hervor. Das Programm ist ein repräsentativer Querschnitt aus dem reichhaltigen Schaffen, schwungvoll und mit genug musikalischer Reibungsfläche dargeboten.

Er ist eben nicht einer von diesen durchschnittlichen Deutsch-Rockern, dieser Heinz Rudolf Kunze. Seine Stücke sind international zwar nicht konkurrenzfähig, rutschen aber auch selten auf banales Mitklatschniveau ab.

Der Kopfmensch Heinz Rudolf Kunze setzt den Geist seines Publikums mit lyrischen Tricks in Bewegung und hievt sich damit in eine Sonderstellung, die dieses rundum überzeugende Konzert wieder einmal bestätigte. Dafür und für den Improvisationsgeist erhielt er langanhaltenden Applaus.

Michael Hufnagel, Berliner Morgenpost, 27. Mai 1993

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