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Von jenem Tag an
Von jenem Tag an,
an dem ich als kleiner Junge vergaß, die Klotür abzuschließen,
und mein Vater kam versehentlich herein und sah,
daß ich mich hingesetzt hatte, um mein KLEINES GESCHÄFT zu verrichten,
ist die Lebenslinie meiner Innenhand armaufwärts abgebogen,
Richtung Herz.
Dort ist sie nun fast angekommen,
krampfdick, blauschwarz.
Von jenem Tag an mußte ich nicht mehr um Bücher betteln,
um Schallplatten, um Klavierstunden.
Abends, wenn ich im Bett lag,
lachten im Wohnzimmer die Verwandten.
Sie lachten über mich.
Die Fußbälle und die Fahrräder gingen an andere.
Irgendetwas in mir fand das nicht in Ordnung
und versuchte mich in einer pubertären Sylvesternacht mit
anderthalb Litern Korn aus der Welt zu schaffen.
Fast wäre es gelungen, doch dann trat Vater
zu früh vor die Wohnungstür, den Arm voller Böller,
und sank mit den Pantoffeln tief
in meinen vollgekotzten Schnee.
In den Bücherregalen wuchs meterweise mein Talent.
Ich bin damals taub geworden vom Lachen der Sportlehrer
(diese frührömischen Hyänen gaben meistens auch Latein
und lasen mit uns ausschließlich Endlösungen im Originaltext),
ich bin damals blind geworden von der Vergeblichkeit,
mit der ich nach Tanzstundendamen schielte,
ich bin damals stumm geworden von der Scham über hartnäckiges Beten
zu einer Größe, an die ich nicht glaubte.
Heute sitze ich in einem tiefen Tempel
kaue Lorbeer atme betäubende Dämpfe
und sie saugen mir mit Schläuchen
jedes Bild ab das mich schüttelt
an jenem Tag
wurde ich verurteilt zum Tode auf Bewährung
sie sagten, es stünde mir frei, Widersprüche auszulegen
ansonsten ich beschlagnahmt würde was mir nur
die Möglichkeit ließe mich zu erfinden
ich wählte die Musik
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