Titelseite von "Vorschuß statt Lorbeeren"

2003

Reich ins Heim

Alt siehst du aus,
du Seniorentruppe zwischen Flensburg
und Berchtesgaden, zwischen Aachen
und Stralsund, gleichermaßen weit entfernt
vom Gefrierbrand wie vom Siedepunkt.
Die letzten deutschen Dichter
sprechen Verwahrlosungsworte:
Walhalla –
wer weiß, was das bedeutet,
ist entweder heldentot oder
wird bei RTL Millionär.
Weltweit führend in Windenergie –
die Entrüstungsstürme hiesigen Gefasels
lassen Wassergläser bersten,
bringen Giftfässer zum Überlaufen.
Hinter dem Landstrich aus Blut, Schweiß und Gähnen
zeichnet sich langsam ein Schlußstrich ab –
Deutschland, ein Spuckebläschen Eurasiens,
die Speichelprobe nicht bestanden,
lauter Todestriebtäter, die Freiheit absitzend,
die nicht verjährt.
Unerwünschte Nichtunseresgleichen
schleppen uns Gefallene auf ihren Schultern
aus der Schußlinie, der untote Germane
fühlt sich unpäßlich in der aufenthalts-
genehmigten Rikscha, wohin jetzt
mit der überhäkelten Klopapierrolle
und dem Wackel-Elvis.
Mach dir einen Knoten ins Präservativ,
da war doch was, erinnere dich –
richtig, der letzte Führerbefehl:
Aussterben als letzte Rache an den Siegern,
sollen sie mal sehen, wie sie ohne uns klarkommen,
ersticken werden sie im eigenen Unkraut,
wenn sie uns Sündenböcke nicht mehr
zu Gärtnern machen können,
aus Vorsehung wurde Altersvorsorge,
aus Eisenzeit Greisenzeit,
die Furie des Verschwindens kennt kein Tempolimit,
nach dieser Aus-Zeit geht kein Spiel mehr weiter,
doch die Pfleger lächeln digital,
die Bildschirmschlachten auf Wunsch auch auf schlesisch,
die Zeit wird das letzte preußisch Vertriebene sein.
Ein sanftes Verdämmern in Morphiums Armen,
alt sehen wir aus, mit allen Wassern gewaschen,
Deutschland ist müde, gebeugt aber stolz,
Deutschland ist auserwählt,
Deutschland geht reich ins Heim.

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