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Papa stirbt
Kinder, seid still. Oder wenigstens ein bißchen leiser.
Papa stirbt.
Nein, nicht euer Vater. Papa.
Der Zerknitterte, der manchmal auf der Ausziehcouch
im Bügelzimmer schläft.
Ja, der ist wieder da, seit ein paar Tagen.
Noch gar nicht gesehen? Ist ja auch ein großes Haus.
Jedenfalls, Papa stirbt. Das sollte nicht unerwähnt bleiben.
Ich finde es nicht gerade anständig von euch,
jetzt den Fernseher auch noch demonstrativ lauter zu stellen.
Papa hat wenigstens immer eure Vornamen auseinanderhalten können.
Nicht wie euer Vater, der jedesmal bei eurem Anblick
Obstmesser in die Sofakissen rammt und euch dann als Entschuldigung
Spritztouren in Bestattungslimousinen zum Geburtstag schenkt.
Papa stirbt, versteht ihr? Er liegt dort hinten,
am Ende des Flurs, im Bügelzimmer, und hört einfach auf.
Ist im Begriff, nicht mehr zu sein. Aus, futsch, finis Papae.
Nehmt die Walkmänner ab, wenn ich mit euch rede!
Walkmänner auf, Fernseher an bis zum Anschlag
und mit der Fernbedienung in Richtung Fensterscheibe fuchteln,
um den Himmel umzuschalten! Nein,
ich wollte euch nicht kränken. Es tut mir leid.
Ehrlich. Ich weiß, auch ihr macht einiges durch.
Entschuldigt bitte. Es ist nur halt so, daß Papa stirbt,
und mit eurem Vater kann ich nicht darüber reden.
Ich weiß, Papa konnte nie den Disney Club und
Blinky Bill auseinanderhalten, das hat euch tief getroffen,
das habt ihr in gewisser Weise nie überwunden.
Aber jetzt, in seiner schwersten Stunde,
wäre es doch ein Zeichen von Größe,
würdet ihr mir einen ganz persönlichen Gefallen tun,
ihr müßt zugeben, ich verlange nicht oft etwas von euch,
wenn ihr die Kraft aufbringen würdet, zu verzeihen.
Ihr müßtet ihn dort liegen sehen.
Bis zuletzt hat er versucht, eure Tarnhosen zu bügeln.
Ihr habt ihn immer für diese Bügelfalten gehaßt.
In manchen Dingen seid ihr einfach lächerlich kleinlich.
Er liegt dort wie zerschmettert auf der alten karierten
Ausklappcouch, auf der euer Vater und ich euch gemacht haben,
neben sich einen Stapel zerfledderter Hefte der Zeitschrift NATUR,
voller manisch depressiver Artikel über den Schwund
der natürlichen Ressourcen und der Abonnenten,
und sieht aus, als hätte Satan persönlich einen
Aufwischlappen ausgewrungen.
Papa stirbt.
Woher ich das weiß?
Er hat es zentimetertief in die Kruppe meines Reitpferds geschnitzt.
Aber ich langweile euch nur.
Ich sollte wieder zu ihm gehen.
Ich muß nur noch kurz in die Stadt,
ein paar Besorgungen für Vaters FLIESENLEGERVERGNÜGEN machen.
Ihr seht nach ihm, ja?
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