Cover des Buches "Papierkrieg"

1986

Noch zwei Bier, sagte der Libero

Noch zwei Bier, sagte der Libero.
Ich wollte gerade gehn.
Er sagte: Tu mir einen Gefallen
und laß mich jetzt nicht stehn.
Kennst du das Gefühl, wenn nichts mehr stimmt
und die ganze Welt hängt schief?
Und jeden Morgen lacht der Trainer gequält
und sagt, das sei ein momentanes Tief.

Noch zwei Bier, sagte der Libero.
Ich konnte kaum noch stehn.
Er sagte: Das wird nicht mehr besser,
das wird jetzt immer so weitergehn.
Ich friere, wenn ich nur an kurze Hosen denk,
und der Rasen ist so furchtbar hart.
Dieses dämliche Spiel hat keine Zukunft,
es hat nicht mal eine Gegenwart.

Noch zwei Bier, sagte der Libero.
Ich fing schon an, doppelt zu sehn.
Er sagte: Überall fühl ich mich wie im Strafraum,
aber keiner will mich verstehn.
Die Stürmer greifen schon seit Jahren nicht mehr an,
entsetzlich, wie man Bälle schiebt.
Alle haben inzwischen begriffen, daß wir
etwas spielen, was es gar nicht gibt.

Noch zwei Bier, sagte der Libero.
Ich hielt mich lallend am Tresen fest.
Er sagte: Also das kommt gar nicht in Frage,
daß dich der Libero jetzt gehen läßt.
Die Ränge im Stadion sind immer so leer,
du bist ein faires Publikum.
Und dann stubste er mich sanft ans Schlüsselbein,
ich schrie Elfmeter! und fiel um.

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