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Ewige Jagdgründe
Jedem das Seine, mir gelb.
Ich steh auf gelb, tausendprozentig, das Gelbe vom Ei, Gelbfieber, alles.
Meine Freunde, das heißt, eigentlich habe ich keine Freunde,
alle, die je das Wort an mich richten, sagen nach spätestens zwei Minuten:
SIE HABEN JA DIE GELBSUCHT! Und dann muß ich immer lachen
über das gelungene Wortspiel.
Gelb, das bringt's. Geh mir weg mit andern Farben.
Bewölkter Himmel wie eine Sauce Béarnaisse,
und in klarer, kalter Nacht als Augentrost mitten im Mehlstaub der Sterne
der volle Blumenkohlmond mit Käse überbacken.
Gelb als Bedingung der Möglichkeit jeglicher meiner Erfahrungen,
weder Descartes noch Kant noch Eidegger beweisen mir das Gegenteil.
Daß Sie mich jetzt hier ganz in Schwarz gekleidet sehen, ist kein Widerspruch.
Ich trage halt gern Sachen, die ich nicht mag. Aber das
ist eine andere Geschichte. Neenee, so leicht kriegen Sie mich nicht!
Gelb hat ja wirklich ein schlechtes Image.
Die Farbe der Mißgunst, des Neides, sagt man. Ich sage:
Gelb ist die Farbe gesunden Mißtrauens! Noch kein Maler dieser Erde hat erfaßt,
was gelb ist. Spitzbübische Flanierer auf den Regenbogenfarben,
gefällige Leistungen zum Teil, aber gelb? Fehlanzeige. VAN GOGH?
Die Krähen: schwarz. Der Himmel: blauschwarz. Das Haar: rotblondschwarz.
Die paar Blumen und Sonnen und Kornfelder? Lappalien, Havarien,
angesichts des Wesentlichen ein Bankrotteur mit Sonnenstich.
Ach, und die Fußangeln des Alltags! GELBE SEITEN! Lug und Trug!
Gelber Untergrund als Schamschürzchen für Buntes!
Und versuchen Sie nicht, über Plattheiten mit mir ins Gespräch zu kommen wie:
»Dann mögen Sie sicher Chinesen!« Haben Sie schon mal einen
wirklich gelben Chinesen gesehen? Die sind doch alles mögliche,
von olivgrau bis aschweiß. Oder gar Ocker. OCKER! Der größte Verrat am Gelb.
Wer als Gelbfreund Ocker gelten läßt, ist Selbstbetrüger, biedert sich
bei den gemauschelten Erdfarben an, sozialdemokratisiert seinen Geschmack!
Freilich, das unbestechliche Pochen auf dem reinen Gelb führt mit der Zeit
zu einigen Marotten, Aversionen, Allergien. Beispielsweise meide ich das Meer.
Gibt's ja nicht in Gelb. Rotes Meer,
klar, typisch.
Gemeinheit. Und wenn ich mit Süddeutschen spreche, färbe ich ihre
zwanghaften Satzenden immer in meinem Sinne ein – gelb?
Noch nie hat's einer bemerkt, aufgeschaut vom Trott in seinen klaftertiefen
Maulpfaden. Als Autofahrer leben Gelbfreunde spannender:
Langes Stehenbleiben an der Ampel bei Rotgelb, Hinauszögern des Durchfahrens
bei Grüngelb – so lernt man viele interessante Leute kennen, die es eilig haben.
Wie Irmela. Die hat mich mal bei Rotgelb in Grund und Boden gehupt.
Seitdem besuche ich sie öfters, denn sie versteht mich.
Zur Vanillesoße bietet sie Vanillepudding an – und keine rote Grütze.
So viel Takt ist selten. Und keiner macht Kartoffeln mit Nudeln wie sie.
Kartoffeln, sowieso klar. Und Nudeln laß ich gerade noch gelpen. Gelten!
Irmela ist Nachfahrin eines normannischen Eroberers, der im 15. Jahrhundert
die Grundlagen für den Tourismus auf Fuerteventura schuf. Er war allerdings
der Flop seines Geschlechts, denn der Tourismus setzte erst im letzten Drittel
des 20. Jahrhunderts ein, seine Nachkommen nahmen die Namen ihrer Frauen an
oder verdorrten, und deshalb sitzt Irmela jetzt in Hoya, macht Fußreflexzonen-
massage und verfügt über eines der letzten Geheimlager des bereits in den
70er Jahren verbotenen Persiko-Likörs. Mensch, Irmela, sag ich,
jetzt muß ich aber los, gleicht kommt mein gelber Überlandbus!
Danke für den Pudding und den Persiko, aber du weißt ja: Eierlikör wär' mir lieber.
Und dann steh ich da an der Haltestelle und ein KNALLROTER Bus rast vorbei!
Er saugt die Blätter von den Bäumen, das Wartehäuschen biegt sich ihm
sehnend hinterher, ich rufe, ich gestikuliere und sehe: Mein Schirm,
mein Handschuh, die Regenpellerine – alles rot! Ich beuge mich über die
aufgewühlten Pfützen, kein Zweifel, selbst die Haut – ich bin eine Rothaut
geworden! Oder war ich's seit je, war alles nur Täuschung? Und dieses
fauchende Geräusch, das war nicht der Wind, das kam aus Irmelas Garage,
die sich jetzt öffnet, sie hat ihren Borgward gelb gespritzt und braust jetzt
an mir vorbei, Klasse! jubelt sie, der fährt sich ganz anders als in Pink!
Da hab' ich sie wohl bekehrt. Und obwohl mir das eigentlich fern liegt,
versöhnt micht das irgendwie wohlig und warm mit dem Leben und meiner
mißlichen Lage, denn wann verirrt sich wohl der nächste rote Bus zu diesem Roten Mann?
Doch ich lasse die Hoffnung nicht fahren.
Vielleicht habe ich mich ja nicht nur in mir selbst geirrt.
Vielleicht sieht das hier nur oberflächlich so aus wie der Ortsausgang
von Hoya, vielleicht kommt hier in Kürze so ein typisches Londoner
Verkehrsmittel des Wegs, und dies ist der Rote Platz
in den Ewigen Jagdgründen.
Wer weiß. WEISS???!
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