Titelseite von "Mücken und Elefanten"

1987

"Ein ziemlicher schlaffer Sack" ist ebenfalls als Sprechtext auf folgendem Album erschienen:

Cover des Live-Albums "Deutsche singen bei der Arbeit – Bootleg Edition" Deutsche singen bei der Arbeit
Bootleg Edition

Ein ziemlich schlaffer Sack

Du, mir gehts prima, nett daß du anrufst.
Stimmt, ich laß mich selten blicken, ich telefonier lieber.
Ich konnte dieses Kneipengesabber einfach nicht mehr ertragen.
Eigentlich hab ich nie kapiert, worüber wir geredet haben.
Ich hab immer nur genickt und gesoffen und gelegentlich "ökosozial" gesagt oder "militärisch-industrieller Komplex" oder einfach "Fritz Rau statt Johannes Rau".
Irgendwann müssen die doch alle merken, daß ich eine Dumpfbacke bin, hab ich mir gedacht, und saufen kann ich auch zuhause.
Nicht daß mir etwa der Tag lang wird!
Ich sitz auf dem Sofa und falte Flieger aus meinen ungedeckten Euroschecks. Außerdem warte ich auf Einfälle. Das ist mühsam genug und rechtfertigt alles, Bier auf Wein und Fernet auf die Zukunft.
Ansonsten ist die Wohnung leer.
Werner hat einen Lachanfall vor einem Wahlplakat gehabt, und weil da jetzt überall die deutsche Fahne drauf ist, haben sie ihn wegen Verunglimpfung nationaler Symbole zu fünf Jahren Zwangsarbeit in Wackersdorf verknackt.
Und Inge sägt irgendwo im Weserbergland Strommasten um.
Sie hat sich so 'ner komischen Gruppe angeschlossen, "Lila Maulwürfe im Zeichen des Megawatt" oder so ähnlich.
Um 'n guten Einstieg da zu haben, hat sie sich auch gleich unsern Doppelnamen zugelegt, obwohl wir gar nicht verheiratet sind.
Ansonsten hält sie nicht mehr allzuviel von mir.
Bevor sie untergetaucht ist, hat sie noch gesagt, sie fände es zwar gut, daß ich ihren Körper nicht mehr imperialistisch begaffe, aber ansonsten sei ich doch ein ziemlich schlaffer Sack. Da ist was dran, an dem Sack, meine ich. Rein geschlechtsmäßig bin ich der reinste Asylbewerber: Überall werde ich wieder abgeschoben.
Neulich habe ich geträumt, ich wache eines Morgens auf und neben mir liegt Frank Elstner.
Und was soll ich dir sagen? Er hatte noch seine Lesebrille auf!
Naja, man kann nicht alles haben.
Aber ich schweife ab. Du, ich muß Schluß machen, Fernsehn fängt an. Ich sehe alles, ich kann nicht anders.
Wenn ich vor dem Programmschluß ausmache, hab ich das Gefühl, es gibt die alle nicht mehr, und vielleicht gibt es mich dann auch nicht mehr.
Klar kann ich dir 'n paar Bier leihen. Ich stell sie vor die Tür, hol sie ab. Aber bitte nicht klingeln, sonst weckst du das Einhorn.
Und dann kann es ziemlich ungemütlich werden.

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