Cover des Buches "Papierkrieg"

1986

Der Schneemörder

Geboren wurde der Schneemörder
in einem kongolesischen Kral.
Die geduldigen Brüste einer massigen Fürstin
überwölbten eine glückliche Kindheit.
Seine hohe Abkunft erlaubte es ihm,
beschaulich und ohne Arbeit zu leben.
Den ganzen Tag lang saß er vor der
Hütte seines Vaters, später vor seiner eigenen,
rauchte, schwieg und blinzelte
in die zu jeder Jahreszeit unermüdliche Sonne.
Daß es hier niemals Schnee gab,
störte ihn nicht weiter. Der Schneemörder wußte:
Seine Zeit würde kommen.
Als er die Mannbarkeitsriten ohne ersichtlichen
Schaden überstanden hatte (die Vorderhuftritte des Opfergnus
sollten sich erst Jahre später in seiner Lendenwirbelsäule
bemerkbar machen), wurde er mit der reichen,
aber stocktauben und von Ekzemen übersäten Häuptlingstochter
des Nachbarstammes verheiratet. Der Schwiegervater
schenkte dem Paar eine vierzehntägige Pauschalreise
nach Island.
Kaum in Island angekommen, begann der Schneemörder
sämtliche auf der Insel anzutreffenden Menschen,
seine Gemahlin eingeschlossen, unter Anwendung
bestialischer Dschungelkampftechniken auszurotten.
Als er die Insel nach vierzehn Tagen
ohne auffällige Eile verließ, war sie menschenleer.
Daheim im Kral heiratete der Schneemörder
nach Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Trauerfrist
seine Jugendliebe, die Tochter des Büffelhirten
aus der Nachbarhütte, der er seit klein auf
von seiner besonderen Bestimmung erzählt hatt.
Sie hatten acht Kinder, die alle nahezu exakt
das im Bremer Institut für Völkerkunde errechnete
Durchschnittsalter für Pygmäen erreichten.
In seinem letzten Lebensjahrfünft
erwarb sich der Schneemörder bleibende Verdienste
um die Urbarmachung schwer zugänglicher Endmoränen
aus dem Tertiär.
Vom Geschäftsführer der größten in diesem Gebiet involvierten
deutschen Immobilienfirma ist in diesm Zusammenhang
der Ausspruch überliefert: «Hut ab!»

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