Cover des Buches "Papierkrieg"

1986

Das Streichholz und die Kerze

Irgendwie streikt meine Lebenslust,
wenn ich im Januar die Sonne buche.
Alle wollen saugen an meiner Brust,
wo ich doch selber noch eine suche.
Die Einzelzellen wuchern in jedem Pfunde,
das kann schon keinen mehr erschrecken.
Die Städte sehen aus wie schlafende Hunde.
Wen wollte ich eigentlich wecken?

Früher ließen Frauen schon gerne mal was fallen,
meistens Tränen oder Taschentücher.
Heute möchten sie am liebsten allen eine knallen,
und wenn was fällt, dann Taschenbücher.
Die heb ich dann gleich auf, und ich lese jedes Wort,
denn ich bin ein braver Junge.
Und manchmal zieht mich daraufhin eine mit sich fort
und beißt mir auf die Zunge.

Die Welt wird immer älter, die Götter trinken Selter
und die Helden sterben jung.
Wir wissen das am besten. Wir tragen schwarze Westen
und dösen in der Dämmerung.
Pack deine Siebensachen! Noch schnell ein Foto machen,
dann nichts wie weg in bürgernahe Fernen.
Du weißt, wir müssen gehen. Ich weiß worauf wir stehen:
Mit beiden Beinen fest auf andern Sternen.

Auf den Bussen, auf den Bahnen, auf den Bürgersteigen
und an allen Wänden Bilder.
Aber keiner kuckt mehr hin, und sie wollen auch nichts zeigen,
oder wenn, dann nur wie Schilder:
Lautes Beten streng verboten. Hier macht keiner mehr was mies.
Bitte rechts ab zum Entleiben.
Schon wieder langer Samstag im Hundeparadies.
Wir müssen leider draußen bleiben.

Das Streichholz sagt zur Kerze: Kann es sein, daß wir
füreinander geschaffen sind?
Ich gehe davon aus, sagt die Kerze.
Doch sie meint den Wind.

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