Cover des Buches "Deutsche Wertarbeit"

1984

Sommertag

Morgens beim Aufwachen
nach überschaubaren Träumen
erscheint die Welt für einen Moment
wie ein gedeckter Frühstückstisch –
selbst die Kegel der Kernkraftwerke
fügen sich ins Bild wie riesengroße Eierbecher.
Noch finden die Streitigkeiten nur in der Funkwerbung statt:
"Christa! Mein Polohemd!"
"Tut mir leid, Klaus-Dieter,
ich hab halt herkömmliches Waschpulver genommen!"
Fürs erste kommst du aus dem Lachen nicht mehr heraus,
du fühlst dich wie im Flugzeug, wenn der Pilot
sich neben dich setzt, einen ausgibt und nach
zehn Minuten beiläufig fragt: "By the way, who's flying?
Oh – me!"
Federnd trittst du auf die Straße hinaus,
ein Tag wie eine K-Tel-Platte und du
die Banalität Nr. 5 auf Seite 1.
Der Himmel ist blau,
die Erde hat sich heißes Sonnenlicht einlaufen lassen
und dampft dir entgegen wie eine gebadete Frau.
Ach Frauen ... sie schlingern über den Asphalt,
ein wortloses nachdenkliches Weich.
Selbst Bottrop hat heute Bikini-Atolle zu bieten,
ist man geneigt zu sagen,
aber das Bild ist schief,
das Bikini-Atoll ist atomverseucht,
der Welt Gauguins hängt die Haut in Fetzen herunter.
Jetzt möchtest du Kinder bekommen,
so wie du dir das vorgestellt hast, als du noch klein warst:
reinhalten,
abwarten, etwa einen Teebeutel lang,
schon kommen sie herausgekrochen.
Schnell muß es gehen, schnell mußt du zeugen,
schnell sie erziehen, wir haben nicht viel Zeit.
Schnell muß es gehen, hast du gedacht, als du klein warst.
Kinder haben immer recht.

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